12.10.2018

Der goldene Ausweg

Viele Warnlampen zeigen inzwischen das Ende eines langen Börsenzyklus an. Doch die nächste grosse Krise kommen zu sehen, ist weniger schwierig, als die richtige Anlagestrategie dafür zu finden. Gold ist eine mögliche Krisenversicherung, die überraschend unpopulär geworden ist.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Ein alter Spruch besagt, dass auf dem Top keine Glocken geläutet werden und das Ende eines Börsenzyklus verkünden. Es gibt aber dennoch eine ganze Reihe von Warnlampen, welche in der spätzyklischen Phase typischerweise das nahende Ende anzeigen.

Die Stimmung bei Konsumenten und den Unternehmen befindet sich heute in so luftiger Höhe, wie sie nur auf dem Top eines Zyklus sein kann. Das US-Konsumentenvertrauen etwa war nur im Jahr 2000 auf dem Gipfel des Internet-Euphorie ähnlich hoch und 1969 am Ende der boomenden Sixties.

Die Unternehmen haben ihre Verschuldung in den letzten zehn Jahren praktisch verdoppelt und geben gerade neue Rekordsummen für Übernahmen und Aktienrückkäufe aus – wie sie es zuletzt nur in den Jahren 2000 und 2007 auf dem Top des jeweiligen Zyklus taten.

Am Kreditmarkt dagegen ist noch weit und breit keine Angst auszumachen. Die Risikoaufschläge für schlechte Schuldner (Credit Spreads) sind so tief, wie sie es nur am Ende eines langen Booms typischerweise sind. Gleichzeitig ist neben den Unternehmensanleihen auch ein 1000-Milliarden-Markt für Leveraged Loans entstanden, wo sich überschuldete Unternehmen und Private-Equity-Vehikel finanzieren – und zwar mit so wenigen Restriktionen (Covenants) wie noch nie.
Auch wenn heute keine breite Euphorie unter den Anlegern da ist: Angst ist angesichts der tiefen Zinsrisikoaufschläge und hohen Aktienbewertungen auch keine auszumachen. Im Gegenteil, angesichts der drohenden Gefahren erscheinen uns die meisten Anleger erstaunlich gelassen.

Dabei gibt es einige triftige Gründe, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Wie zum Beispiel angesichts der angelaufenen Handelskriege, welche direkt ins Herz des langen Gewinnmargen-Booms bei den Technologie-Firmen zielen (vgl. Newsletter #32 vom Juli 2018). Oder die Immobilien-Schuldenblasen in manchen Ländern wie Kanada, Schweden oder der Schweiz, die in Relation zum Bruttoinlandprodukt sogar noch schlimmer aussehen als die amerikanische Blase vor 2008.

Die Regierungen der Industrieländer, die typischerweise als Retter in der Not gerufen werden, haben zudem ihre Verschuldung seit der Finanzkrise 2008 weiter massiv erhöht und sind damit noch weniger handlungsfähig geworden als in der letzten Krise. Der Staatshaushalt des einen oder anderen Industrielands könnte im Gegenteil im Epizentrum der nächsten Finanzkrise stehen. Dabei haben wir nicht nur den offensichtlichen Fall Italien im Auge.

Wo soll sich ein Anleger vor dem drohenden Unwetter verstecken?

Die drohende Krisenlage zu sehen, ist an Extrempunkten wie jetzt aber nicht so schwierig, wie die passende Anlagestrategie dafür zu finden. Grundsätzlich gilt jetzt nahe am Rand des Abgrunds, vorsichtig zu sein und sich nicht nach Rendite zu strecken. Grosse Dummheiten zu vermeiden ist wichtiger, als auf einen maximalen Profit zu schielen. Entsprechend konservativ sind wir seit geraumer Zeit bei der Auswahl von Aktien für den Quantex Global Value Fund unterwegs. Zum Glück offerierte uns der angstfreie Markt viele Qualitätstitel zu erstaunlich moderaten Preisen.

Obligationen bieten bei diesen lächerlich tiefen Renditen kaum einen sicheren Unterstand, ausser man ist von massiv ins Negative fallenden Zinsen überzeugt. Cash ist im Zweifelsfall immer die beste Alternative, doch das Problem bleibt: In welcher Währung? Und mit welcher Bank als Gegenpartei?

Ein historisch bewährter Ausweg aus dem Dilemma ist dagegen erstaunlich unpopulär geworden: Das Gold. Seit seinem Top auf dem Höhepunkt der Euro-Krise 2011 bei 1900 Dollar je Unze dümpelt der Preis des gelben Edelmetalls seit Jahren um die 1200 Dollar dahin. Angesichts steigender Zinsen und boomender Aktienmärkte ist es zudem immer beliebter geworden, auf einen weiteren Verfall des Goldpreises zu wetten: Zum ersten Mal seit dem Jahr 2001 sind die Spekulanten an der US-Terminbörse netto «short» in Goldkontrakten. Damals notierte der Preis je Unze bei gerade mal 270 Dollar und ein grosser Gold-Bullenmarkt begann.

Wir sehen Gold primär als Versicherung und mögliche Option auf Gewinne im Fall von monetären Extremrisiken: Sei es eine deflationäre Kreditklemme wie 2008-2011 oder eine Hochinflation wie in den 1970er Jahren. Diese Versicherung ist jetzt nach zehn Jahren Aktienboom ganz typisch relativ günstig zu haben. Der Goldpreis schlug sich zudem in der Vergangenheit während einer Rezession immer erstaunlich gut (siehe Tabelle).

Rezession

Goldpreis

Nov 1973 - Mrz 1975

+78%

Jan 1980 - Jul 1980

+20%

Jul 1981 - Nov 1982

+3%

Jul 1990 - Mrz 1991

+1%

Mrz 2001 - Nov 2001

+4%

Dez 2007 - Jun 2009

+19%

Die Tabelle zeigt die Entwicklung des Goldpreises in US-Dollar während der letzten sechs Rezessionen. (Quelle: Incrementum AG)


Eine Goldanlage, sofern sie in Barren oder einem physisch hinterlegten ETF geschieht, hat zudem den Vorteil, dass sie kein Gegenparteirisiko aufweist. Diesen Punkt sehen nicht nur risikobewusste Privatanleger, sondern zunehmend auch Staaten wie China oder Russland. Seit Jahren horten ihre Zentralbanken immer mehr Goldbarren in ihren Kellern. Da die USA unter Präsident Trump das Privileg des US-Dollar als Welthandelswährung nun zunehmend über Sanktionen auch als Waffe einsetzen, dürfte sich dieser Trend weg vom Dollar und hin zum Gold als Zentralbanken-Reserve nochmal beschleunigen.

Goldminen-Aktien sind der nächste, wesentlich aggressivere Schritt, um auf steigende Goldpreise zu setzen. Goldminen bieten traditionell einen Hebel zum Goldpreis. Es sind jedoch hochvolatile Aktien, die nach der Kapitalvernichtung in der Endphase des letzten Goldbooms zu Recht bis heute einen schlechten Ruf haben. Wie alle zyklischen und kapitalintensiven Industrien sind sie kein simples Buy&Hold-Investment – auf lange Sicht wird tendenziell Wert vernichtet.

Auch die Profis haben das Timing der Goldminen-Zyklen nicht im Griff. Als Manager von Goldminenfonds seit 13 Jahren gebe ich das unverblümt zu. Der Trick ist es, durch die Auswahl von margenstarken Goldminen mit starker Bilanz möglichst unbeschadet zu überleben, bis der nächste Aufwärtszyklus kommt. Wenn eine Branche so viel operatives Leverage wie die Goldminen aufweist, ist ein zusätzliches finanzielles Leverage in der Bilanz schlicht fahrlässig und setzt eine übernatürliche Genauigkeit beim Timing der Zyklen voraus.

Nur an Extrempunkten des Marktes kann mit etwas mehr Sicherheit von einer kommenden Wende ausgegangen werden. Es deutet einiges darauf hin, dass sich die Goldminen-Aktien sich derzeit an so einem Extrempunkt befinden (siehe Grafik unten).

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Die Grafik zeigt die Entwicklung des Goldminenindex HUI geteilt durch den breiten S&P-500-Index. Derzeit sind die Minenaktien im Vergleich zum Gesamtmarkt auf ein so tiefes Niveau gefallen wie zuletzt Anfang 2000. (Quelle: Incrementum AG)

Nicht nur im Verhältnis zum teuren S&P-500-Index sind die Goldminen-Aktien derzeit aber günstig, sondern auch auf absoluter Basis. Es finden sich einige Titel, vor allem in Australien, welche beim aktuellen Goldpreis mehr als 10% Free-Cashflow-Rendite zu ihrem Unternehmenswert ausweisen. Das ist selbst für zyklische Minenaktien ein attraktives Niveau und kommt erfahrungsgemäss nur selten vor.

Neben den üblichen Vorsichtsmassnahmen bieten sich deshalb Edelmetall-Investments als möglichen Schutz gegen das drohende Gewitter an. Garantiert ist der Erfolg damit nicht. 2008 kam der Goldpreis in der ersten Ausverkaufswelle eine Weile lang auch stark unter Druck. Er erholte sich danach aber wieder rasch, als das ganze Ausmass der Probleme bei Banken und Regierungen sichtbar wurde. In der Aktien-Baisse von 2000 bis 2003 dagegen konnten Gold und Goldminen gegen den Trend zulegen. Mit einem Teil des Portfolios den goldenen Ausweg einzuschlagen, erscheint uns folglich vielversprechend.


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