13.07.2022

Nach dem Schuldenschmaus

Die fetten Jahre am Markt für Unternehmensanleihen sind vorbei. Zuviel Schulden wurden mit zu tiefen Zinsen begeben. Nun drücken die höheren Zinsen und es drohen Zahlungsausfälle. Doch während die Anleger leiden und viele Firmen vor gewaltigen Problemen stehen, gibt es andere Unternehmen, die von der vergangenen Schuldenorgie noch viele Jahre werden profitieren können.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Europa verzeichnet gerade den schlimmsten Absturz bei Unternehmensanleihen seit Jahrzehnten, schlimmer sogar als während der Finanzkrise 2008. Der entsprechende Bloomberg-Index ist sieben Monate in Serie gefallen – ebenfalls ein neuer Negativrekord. Am US-Obligationenmarkt sieht es nicht viel besser aus.

Natürlich steht hinter den Kursrückgängen bei Anleihen der generelle Anstieg der Zinsen.

Es ist inzwischen für alle offensichtlich geworden, dass die Zentralbanken auf die überbordende Inflation mit einer starken Straffung der Geldpolitik reagieren müssen. Zu lange hatten sie geschlafen.

Es sind aber auch zunehmend die Rezessionsängste, welche die Zinsaufschläge für Unternehmenspapiere steigen lassen und damit die Kursverluste für die Anleger verstärken.

Die grosse Schuldenparty der letzten Jahre hat damit ein Ende: Schon 2018 war absehbar, dass die lockere Geldpolitik zu Exzessen am Anleihenmarkt geführt hatte (siehe dazu unseren Eintrag von 2018). Durch den Corona-Crash 2020, die Panikreaktion der Zentralbanken und den wilden Boom an den Kapitalmärkten im Jahr 2021 wurden die Exzesse noch schlimmer. Jetzt droht der Kater und für viele Unternehmen wie auch Investoren die Stunde der Abrechnung.

Die durchschnittliche Schuldenlast der amerikanischen Unternehmen notiert in Relation zu ihrer Bilanzsumme auf dem höchsten Stand seit Beginn der 1970er Jahre. Die durchschnittlichen Zinscoupons liegen zwar mit 4% für Investment Grade immer noch auf Rekordtief. Doch die aktuellen Zinsen notieren schon deutlich darüber.

Das Problem ist nicht so sehr der alte Schuldenstock, sondern die anstehenden Refinanzierungen in einem Umfeld von steigenden Zinsen und Rezessionsgefahr – und ohne ständige Anleihenkäufe durch die Zentralbanken. Es mag beruhigen, dass gemäss Berechnungen von Empirical Research die durchschnittliche Laufzeit der amerikanischen Unternehmensanleihen mehr als acht Jahre beträgt. Doch auch in einem Fluss, der durchschnittlich nur 80cm tief ist, kann ein schlechter Schwimmer ertrinken.

Unsere Aufgabe als Investoren auf der Aktienseite besteht folglich darin, bei der Titelselektion verstärkt auf die Fälligkeiten der Schulden eines Unternehmens zu achten. Firmen, die in den nächsten 1-2 Jahren mehr Rückzahlungen anstehen haben, als sie selbst an Free Cashflow erwirtschaften und Cash vorrätig haben, stehen vor harten Zeiten. Nicht wenige davon dürften in einer Rezession eine Nahtod-Erfahrung machen. Denn wie in der Finanzkrise 2008 kann es sein, dass der Kapitalmarkt plötzlich die Schotten dichtmacht und niemand mehr frisches Geld geliehen bekommt.

Die Profiteure der wilden Schuldenparty

Auf der anderen Seite gibt es logischerweise auch Gewinner der vergangenen Schuldenparty. Das sind Unternehmen, welche die Tiefzinsphase und die Spendierfreudigkeit des Kapitalmarkts genutzt hatten, ihre Schulden auf lange Sicht zu sehr tiefen Sätzen zu refinanzieren.

Ein langfristig fixierter Zinssatz ist in einem inflationären Umfeld ein Segen, wenn die Cashflows mit der Inflation wachsen. Das Geld, dass man erst in 10 oder 20 Jahren zurückzahlen muss, wird entsprechend weniger Wert sein. Als Beispiel das Schuldenprofil unserer Neuerwerbung Anheuser-Busch InBev:


Verteilung der Fälligkeiten der Schulden von Anheuser-Busch InBev. Das durchschnittliche gewichtete Fälligkeitsdatum liegt im Jahr 2038. Ein vorteilhaftes Schuldenprofil in Zeiten steigender Inflation und Zinsen. (Daten: Bloomberg)

Bis 2026 fallen für den Bierkonzern praktisch keine Schulden zur Rückzahlung an. Grosse Anleihenblöcke werden erst ab 2046 fällig. Die mittlere Laufzeit beträgt dollargewichtet 2038, der Zinscoupon durchschnittlich gerade mal 4.2%.

In der Vergangenheit gelang es Anheuser-Busch, die Cashflows nominal um mehr als 4.2% im Jahr zu steigern. In der aktuellen Inflationsphase mit 8% Teuerung in den wichtigsten Absatzmärkten, ist dies sowieso kein Problem. Die Schuldenlast nimmt in Relation zum Cashflow entsprechend schneller ab.

Rückkauf der Schulden unter Nennwert

Doch Firmen mit Free Cashflow und langfristig fixierten Zinssätzen haben im aktuellen Umfeld steigender Zinsen noch eine zweite profitable Option: Sie können die eigenen Schulden deutlich unter Nennwert vom Markt zurückkaufen. Viele Obligationen etwa von Anheuser-Busch werden derzeit zu 92 oder 95 von 100 gehandelt. Steigen die Zinsen weiter, wird dieser Abschlag auf alte Bonds mit tiefen fixierten Coupons entsprechend grösser und der Rückkauf zur Entschuldung immer günstiger.

Auf der anderen Seite gibt es viele prominente Firmen wie BASF, deren Schuldenprofil uns gar nicht gefällt:

BASF
Verteilung der Fälligkeiten der Schulden von BASF. Das durchschnittliche gewichtete Fälligkeitsdatum liegt im Jahr 2027. (Daten: Bloomberg)

Die Aktie des deutschen Chemie-Multis sieht auf den ersten Blick günstig aus. Doch die Verteilung der Schuldenfälligkeiten ist schlecht, Jahr für Jahr stehen grosse Refinanzierungsblöcke an, die oft in der Grössenordnung des jährlichen Free Cashflows liegen. Die Einnahmen von BASF sind zudem wesentlich zyklischer als die von Anheuser-Busch und unterliegen zudem dem Risiko, dass Russland der deutschen Industrie den Gashahn zudreht. Je weiter die Zinsen am Anleihenmarkt steigen, desto mehr wird BASF bei der Refinanzierung ins Schwitzen kommen.

Surfen auf der Inflationswelle

Die laufende Inflationswelle ist keine Naturgewalt, sondern menschengemacht. Sie betrifft leider nicht alle gleich hart, weder Haushalte noch Unternehmen. Es gibt auch am Aktienmarkt Gewinner und Verlierer. Wir mögen deshalb noch mehr als sonst Aktien von Firmen mit stabilen Cashflows, Preismacht, wenig teurem Investitionsbedarf und möglichst langfristig fixierten Schulden.

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