13.04.2018

Der dicke Schulden-BBBauch

Jeder Zyklus bringt neue Kreditexzesse: Der grosse Schulden-Boom der letzten Jahre fand bei den Unternehmen statt. Ein ungesund dicker Teil der Schulden hat sich bei Firmen mit dem Kreditrating BBB angesammelt. Doch was heute noch knapp als Investment Grade eingestuft wird, ist oft schon eigentlich Schrott. Die nächste Krise dürfte vom Unternehmenssektor ausgehen.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Der Kreditmarkt gleicht einem Mann mit ungesunden Essgewohnheiten. Auf der Intensivstation nach dem Kollaps gelobt er jeweils Besserung, doch dann setzt der alte Schlendrian bald wieder ein. Sein Appetit auf Schulden ist unersättlich.

Dabei ist wohl unbestritten, dass die globale Finanzkrise von 2008/09 durch zu viele Schulden und deren unsachgemässe Deklaration ausgelöst wurde. So wurden zum Beispiel Hunderte Milliarden von Hypothekarkrediten schlechter Schuldner gebündelt und dann als hochwertige AAA-Anleihen von bester Bonität verkauft. Zu viele Schulden und dann noch in den falschen Hälsen beziehungsweise Händen führen über kurz oder lang immer zu Problemen.

Die Werte des Patienten sind heute ähnlich kritisch wie 2007 vor der Finanzkrise – doch es kümmert ihn wenig. Ein Dessert oder zwei werden doch wohl noch drin liegen?

Genauso wenig kümmert es seinen lieben Doktor von der Zentralbank. Als der Patient nach dem letzten Kollaps am Boden lag und dem Tod nah war, eilten die Zentralbanken zwar sofort zur Hilfe und pumpten ihn notfallmässig mit Liquidität voll.

Doch als der Patient danach immer noch nicht recht auf die Beine kommen wollte und wenig Appetit auf neue Schulden zeigte, wurde das Quantitative-Easing-Buffet aufgestellt… doch wie so oft in der Geldpolitik assen davon andere Marktteilnehmer als gedacht.

Die amerikanischen Privathaushalte entdeckten für einmal den Reiz des Sparens, die Immobilienkrise hatte ihnen das Schuldenmachen vergrault. Ganz fett am Buffet zugeschlagen haben dafür die Unternehmen. Die tiefen Zinsen waren einfach zu unwiderstehlich. So ist die Unternehmensverschuldung in den USA in Relation zum Bruttoinlandprodukt inzwischen auf einen neuen Rekordstand gestiegen (siehe Grafik).

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Die dunkle Linie zeigt die Verschuldung amerikanischer Unternehmen (ohne Finanzsektor) in Relation zum Bruttoinlandprodukt (GDP) auf der linken Skala. Die schattierte Fläche stellt die absolute Verschuldung in Milliarden Dollar dar. (Quelle: Guggenheim Investments)

Auch im Verhältnis zum Brutto-Cashflow (Ebitda) hat die Unternehmensverschuldung wieder alte Rekordhöhen von vor der Finanzkrise erreicht. Und zwar auf Netto-Schuldenbasis, also nach Abzug der vereinzelt sehr hohen Cashreserven amerikanischer Firmen.

Die US-Firmen – und auch ihre Kollegen in Europa – haben jedoch nicht nur dick Schulden gemacht, sondern sie sind auch noch sehr ungünstig verteilt. Gut die Hälfte aller Schulden entfällt auf Unternehmen mit einem Kreditrating von BBB. Das ist die letzte Bonitätsstufe der Oberkategorie «Investment Grade» vor «Junk» oder Schrott-Anleihen. Viele institutionelle Investoren dürfen nur Investment-Grade-Papiere halten und müssen Junk automatisch verkaufen.

Es ist sicher kein Zufall, dass die Hälfte des Anleihenmarktes nun knapp noch als BBB eingestuft ist. Die Firmen strapazieren in Zusammenarbeit mit den von Interessenkonflikten geplagten Rating-Agenturen und willfährigen Investoren einmal mehr die regulatorischen Schranken.

Der Boom im BBB-Bereich ist beispiellos. Derzeit sind allein in den Vereinigten Staaten 2500 Milliarden Dollar an BBB-Anleihen ausstehend. Vor zehn Jahren waren es, wie das «Wall Street Journal» vorrechnet, gerade mal 686 Milliarden Dollar. Das beunruhigende dabei: Die BBB-Firmen haben ihre Schulden in den letzten zehn Jahren mehr gesteigert als ihre Brutto-Cashflows Ebitda (siehe Grafik nächste Seite). Ihre Kredit-Kennzahlen haben sich also effektiv verschlechtert.

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Die schwarzen Balken zeigen die gesamte Verschuldung in Relation zum Ebitda von Firmen mit Bonität BBB. Die blauen Balken die Verschuldung für Firmen der Bonität AAA und AA. (Quelle: Bloomberg)

Gleichzeitig haben die Anleger jedoch bis diesen Februar immer weniger Zinsaufschläge verlangt. Die Kredit-Spreads befinden sich heute immer noch auf so tiefem Niveau wie vor der Finanzkrise von 2008/09 (siehe Grafik unten). Ein weiteres Zeichen für die generelle Sorglosigkeit am Markt, die zumindest uns grosse Sorgen macht.

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Die Grafik zeigt die Zinsaufschläge in Basispunkten für Schuldner der Bonität BBB gegenüber Schuldnern der Bonität AAA. (Quelle: Bloomberg/BoAML)

Die spannenden Fragen sind natürlich: Wenn sich die Kredit-Kennzahlen so verschlechtert haben, wieso wurden nicht schon viel mehr Firmen von BBB auf Junk heruntergestuft? Und was passiert in der Zukunft, wenn die Zinsen weiter steigen?

Scott Minerd von Guggenheim Investments rechnet vor, dass sich die Finanzen der US-Unternehmen schon bei einem Leitzins von 3.25 bis 3.5% in einem schlechteren Zustand als 2007 befinden werden. Ihr Free Cashflow würde dann auf Rezessionsniveau sinken und die Firmen müssten ihre Investitionen zusammenstreichen. «Die nächste Rezession wird vom Unternehmenssektor ausgehen», ist Minerd überzeugt.

In der letzten Finanzkrise standen gebündelte Hypothekar-Anleihen mit dem bestmöglichen Kreditrating AAA im Zentrum – diese Ratings stellten sich als völlig illusorisch heraus. Es ist zu befürchten, dass bei höheren Zinsen und/oder der nächsten Rezession sich viele Investment-Grade-Ratings als genauso illusorisch herausstellen werden. Der grosse Schock war schon beim letzten Mal nicht, dass in der Krise plötzlich viele Junk-Bonds ausfielen. Sondern dass vermeintlich sichere Anleihen plötzlich als Ramsch galten. Ähnliches droht, wenn die BBB-Blase platzt.

Konklusion für Investoren

Die Unternehmensverschuldung ist nach Jahren des Quantitative Easing der Zentralbanken auf ein höchst bedenkliches Niveau gestiegen. Anleger sollten bei der Auswahl von Anleihen besondere Vorsicht walten lassen, vor allem im weit überproportional gewachsenen BBB-Segment.

Der massenhafte Absturz von Unternehmen mit Investment-Grade-Rating in den Junk-Bereich wird jedoch auch am Aktienmarkt nicht spurlos vorbeigehen. Zum einen drohen den gefallenen Engeln höhere Zinszahlungen oder sogar existenzielle Liquiditätsproblemen bei der Refinanzierung von Schulden. Zum anderen werden sie zur Verbesserung ihrer Finanzen angehalten sein, was meistens Dividendenkürzungen bedeutet oder noch schlimmer den Verkauf von Unternehmensteilen oder neuen Aktien. In einer Kreditkrise werden sie dafür keine guten Preise bekommen, und viel Aktionärswert wird vernichtet.

Es ist unsere generelle Beobachtung, dass sowohl Obligationäre wie Aktionäre derzeit nicht mehr angemessen für die Risiken überschuldeter Firmen entschädigt werden. Wir investieren deshalb heute vorzugsweise in die wenigen verbliebenen Unternehmen, welche sich den Verlockungen des grossen Schulden-Buffetts entziehen konnten.


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