17.06.2016

Wunder ausser Dienst

Das aktuelle Zinsniveau entzaubert den Zinseszinseffekt, schreibt die NZZ in einem Artikel, und erwähnt dabei Eltern, die langfristig für ihre Kinder Geld anlegen wollen. Doch gerade für langfristig orientierte Anleger funktioniert der Zinseszins dank Aktiendividende und Aktienentwicklung ungebrochen.

Peter Zeier

vonPeter Zeier

Geschäftsleitung

Langfristig sparen mit einem Sparkonto oder festverzinslichen Anlagen ergibt meistens keinen Sinn, vorallem nicht auf dem heutigen Zinsniveau. Aktien bieten neben dem Kurspotential auch eine laufende Dividende, welche jährlich reinvestiert werden kann. Ein Blick auf die Entwicklung der Dividendenrendite des Schweizer Aktienmarktes oder auf den S&P 500 Index zeigt, dass die Unternehmen gewollt sind, Geld an ihre Aktionäre auszuschütten.

 SMI-Dividenden
Durchschnittliche Dividendenrendite der SMI-Aktien (Quelle: VZ)
S&P500-Dividenden
Durchschnittliche Dividendenrendite der S&P500-Aktien (Quelle: http://www.multpl.com)

Hier der Artikel aus der NZZ:

Der Zinseszinseffekt entfaltet langfristig grosse Kraft. Doch derzeit ist er ausser Dienst. Das hat erhebliche finanzielle Folgen für künftige Rentner und Eigenheimkäufer sowie für Sparer allgemein.

Der geniale Wissenschafter Albert Einstein soll ihn als das achte Weltwunder bezeichnet haben: den Zinseszinseffekt. Zumindest ist die Kraft des Zinseszinses wohl eine der wichtigsten und zugleich am wenigsten verstandenen Wirkungen in der Wirtschaftswelt. Der Effekt spielt kurzfristig bei der Geldanlage zwar kaum eine Rolle, doch über viele Jahre und vor allem Jahrzehnte entfaltet er einen grossen Zauber. Durch den Zinseszinseffekt steigt ein Geldbetrag exponentiell an, da der Zuwachs mit jeder neuen Zinsperiode grösser wird. Durch die Nullzins- oder gar Negativzinspolitik der Zentralbanken ist das Wunder des Zinseszinses aber ausser Dienst gestellt.

Exponentielle Geldvermehrung

Ein einfaches Beispiel zeigt die langfristige Kraft des Zinseszinses. Legt man einen Euro (oder Franken) zu einem Zins von 3% an, werden daraus nach 10 Jahren € 1.34, nach 50 Jahren € 4.38, nach 100 Jahren € 19.22, nach 250 Jahren 1619 € und nach 500 Jahren 2,6 Mio. €. Natürlich denken die meisten Sparer nur in der Kategorie von einigen Jahren oder wenigen Jahrzehnten. Doch zumindest bei der Altersvorsorge oder beim Bausparen erreichen die meisten Menschen Anlagehorizonte von 15 bis vielleicht sogar 50 Jahren. Und hier macht sich der Zinseszinseffekt bereits signifikant bemerkbar. Der Effekt wirkt umso stärker, je länger der Zeithorizont und je höher der Zins ist.

Legt ein Sparer zum Beispiel zur Altersvorsorge 50 000 € auf die hohe Kante, werden daraus nach 20 Jahren bei einem Zinsniveau von 3% über 90 000 € (vgl. Tabelle). Das darf sich sehen lassen, doch können Anleger beim heutigen Zinsniveau davon nur träumen. Bei einem Zinssatz von 1% erreicht man noch 61 000 €, und bei 0,5% erzielt der Sparer nach 20 Jahren sogar nur gut 55 000 €. Der Renditeunterschied zu 3%, der als natürlicher Zins angesehen wird, beträgt also satte 35 000 €. Anders gesagt vermehrt sich das Kapital im einen Fall um 10% und im anderen um 80%. Das Problem des fehlenden Zinseszinses betrifft nicht nur Personen, die für das Alter vorsorgen wollen, sondern viele Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen. So können etwa Bausparer und Eltern, die langfristig Geld für ihre Kinder anlegen wollen, nicht mehr auf die Kraft des Zinseszinses vertrauen. Technisch beruht der Zinseszins darauf, dass die Zinsen nach jeder Zinsperiode dem Sparkapital zugeschlagen und fortan mitverzinst werden. Der Zinsfaktor wird also bei der Berechnung des Kapitals mit der Laufzeit potenziert. Durch diese Potenzierung werden die Zinserträge der vorangegangenen Jahre in die Berechnung mit einbezogen, so dass es zum Zinseszins kommt.

Viele Anlagen ohne Rendite

In Deutschland fiel die Rendite von 10-jährigen Bundesanleihen in dieser Woche erstmals in der Geschichte unter null; in der Schweiz ist das schon länger der Fall. 85% aller deutschen Bundesanleihen über insgesamt 1,15 Bio. € rentieren inzwischen mit einer negativen Rendite. Anleihen von staatsnahen Förderbanken oder vielen Pfandbriefen werfen ebenfalls keine oder kaum noch Rendite ab. Entsprechend lässt sich auch mit vielen anderen sicheren Sparprodukten kaum noch Rendite erzielen. Dies heisst, dass viele Menschen nicht mehr in der Lage sind, zu einem von ihnen als vertretbar eingeschätzten Risiko vernünftige Anlagen zu finden, bei denen sie auf den Zinseszinseffekt vertrauen können. Auf absehbare Zeit heisst es für sie mit Blick auf den Zinseszinseffekt somit: «Wunder, ade.»

 


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