26.03.2018

Die negative Kunst des Investierens

Bei der Geldanlage wollen alle Anleger besonders clever sein. Wie in vielen Bereichen des Lebens ist es aber oft einfacher, die gröbsten Fehler zu vermeiden anstatt ein optimales Ergebnis anzustreben. Wir zeigen den negativen Ansatz zur Outperformance mit Aktien.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

«Es ist erstaunlich, wie weit wir es gebracht haben, indem wir immer nur versuchten, nichts Dummes zu tun, anstatt sehr intelligent zu sein.» Mit diesem Satz fasst Charlie Munger das oft erfragte Erfolgsgeheimnis von Warren Buffett und ihm zusammen. Ihre Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway hat seit 1964 den S&P-500-Index um satte 11% Prozentpunkte im Jahr geschlagen, was über den ganzen Zeitraum aus 1000 Dollar in Berkshire-Aktien sagenhafte 24 Millionen Dollar werden liess.

Natürlich wirkte hier die Magie des Zinseszines bei einer Rendite von 20% über 53 Jahre. Bemerkenswert an dem Ergebnis ist aber auch, dass Munger und Buffett trotz dieses fantastischen Resultats nie eine Superaktie wie Microsoft oder Amazon in ihrem Portfolio gehabt haben, die sich vertausendfacht hätte. Sie haben dafür aber viele Fehler vermieden, die bei anderen Investoren und Konglomeraten zu durchschnittlichen Ergebnissen führen oder an denen sie früher oder später zu Grunde gehen können.

«Man muss immer umkehren», lautete die Maxime des genialen preussischen Mathematikers Carl Gustav Jacobi zur Lösung hochkomplexer Probleme, auf die sich Charlie Munger gerne beruft.

Statt ein Problem vorwärtsgerichtet anzugehen, ist es nach Jacobi oft einfacher, es aus umgekehrter Perspektive anzupacken und zu schauen, was nicht die Lösung sein kann.

Dies gilt nicht nur in der Mathematik, sondern in vielen Bereichen des Alltags. Zur Antwort auf die Frage: «Wie führe ich ein glückliches und erfolgreiches Leben», lassen sich natürlich Unmengen von Büchern mit Handlungsanweisungen füllen. Ein paar ganz einfache negative Grundsätze wie «keine gefährlichen Suchtmittel konsumieren» oder «keine Schulden machen» schliessen aber schon einmal Formen eines praktisch garantiert unglücklichen Lebens aus und sind damit sinnvoller als viele Tipps. Bei der Partnerwahl ist es oft einfacher, sich Gedanken über ein paar grundlegende Eigenschaften zu machen, die der Partner auf keinen Fall haben darf, anstatt sich zu lange über das perfekte Gegenstück den Kopf zu zerbrechen. Will man in einem Betrieb Innovation fördern, ist es meist zielführender, organisatorische Schranken für Innovation zu beseitigen, anstatt diese mit teuren «Innovationsseminaren» erzwingen zu wollen.

Genau so ist erfolgreiches Investieren nach Mungers und auch unserer Überzeugung bei Quantex eine negative Kunst, bei der es mehr darum geht, die schlimmsten Fehler zu vermeiden, anstatt besonders brillant zu sein.

Das beste Beispiel für das negative Prinzip ist eine konsequente Kostenreduktion: Es ist beim Investieren viel einfacher, durch die Wahl geeigneter Vehikel und Depotbanken jährlich 1% Kosten einzusparen anstatt durch cleveres Handeln eine Mehrrendite von 1% herauszuschlagen. Diese Erkenntnis steht hinter dem globalen Trend zu kostengünstigem und passivem Investieren mit Indexfonds und ETF. Man kann damit spielend ein besseres Resultat erreichen als die Mehrheit aller aktiven Fonds. Doch das Problem bleibt, dass man im besten Fall nur die Indexperformance erzielt. Welche Resultate liessen sich erst erreichen, wenn man zusätzlich noch versucht, die besten Aktien in einem Index zu finden oder die schlechtesten zu vermeiden?

Bei Quantex sind wir dem negativen Prinzip verpflichtet und verwenden weder Zeit noch Geld darauf, die nächste Superaktie aufzuspüren. Das versuchen viele Konkurrenten schon mit grossem Aufwand und scheitern meistens dabei. Zu selten sind diese Superaktien, die sich verhundert- oder gar vertausendfachen.

Unser Selektionsprozess ist primär darauf angelegt, all die Nieten und Stinker auszulassen, die am Markt herumgeboten werden. Davon gibt es leider reichlich. Denn schockierende 50% aller Aktien schaffen es gemäss einer Studie von Hendrik Bessembinder auf lange Sicht nicht, überhaupt eine positive Rendite zu erzielen (vgl. SpectraNews #20). Während der passive Investor den ganzen Indexkorb kauft, versuchen wir bei der Zusammenstellung unserer Portfolios möglichst wenige Nieten aus der schlechteren Hälfte des Marktes zu erwischen. Mit diesem Ansatz hat der Quantex Global Value Fund seit seiner Auflegung vor bald zehn Jahren den MSCI World Index auch nach Kosten deutlich geschlagen.

Hier also eine einfache Liste der Dinge, die wir NICHT kaufen:

  • Teure Aktien: Titel mit hohen Wachstumserwartungen sind für uns nicht interessant. Meist ist schon Perfektion eingepreist und eine Enttäuschung früher oder später vorprogrammiert. Langfristige Studien zeigen alle die bessere Performance von günstigen Value-Aktien gegenüber hoch bewerteten Wachstumstiteln. Ausnahmen wie Amazon und andere immer teure Superaktien bestätigen die Regel: Obwohl wir auf diese verzichten, können wir den Markt schlagen, weil wir all die hoffnungslosen Möchtegern-Amazons vermeiden. Wir hegen gewisse Sympathie für GARP-Strategien («Growth At a Reasonable Price»). Warren Buffett nennt dies hervorragende Unternehmen zu einem fairen Preis. Aber wir kaufen nichts, dessen Preis sich nur mit zweistelligen Wachstumsraten über ein Jahrzehnt oder länger rechtfertigen lässt.
  • Neue Firmen: Neuemissionen kommen meist zu teuer und in euphorischer Grundstimmung auf den Markt, da der Verkäufer den Zeitpunkt bestimmt. Sie sind im Schnitt nachweislich miserable Investments.
  • Firmen ohne Cashflows: Was keinen Cashflow hat, können wir nicht vernünftig bewerten. Ob Biotech-Forschung, Rohstoff-Exploration oder disruptive Technologien, wir investieren nicht in Startups, da sie ausserhalb unseres Kompetenzbereichs liegen und meist nur überteuerte Lotterielose darstellen. Denn viele Anleger wetten mit solchen Titeln auf den nächsten Hauptgewinn und zahlen folglich zu viel für ihr Ticket.
  • Komplexe Firmen: Dies geht mit dem obigen Kompetenzbereich einher: Unternehmen, deren Geschäftsmodell oder Buchhaltung wir nicht in nützlicher Frist verstehen, kommen auf den Zu-Schwierig-Stapel und nicht ins Portfolio, auch wenn sie günstig aussehen mögen.
  • Kapitalhungrige Firmen: Unternehmen, die ständig die hohle Hand machen und neues Aktien- und Fremdkapital aufnehmen, also einen positiven Cashflow aus Finanzierungstätigkeit ausweisen, sind gemäss unseren eigenen Studien miserable Investments. Darunter fallen viele der oben erwähnten Startups, mancher Fall von Buchhaltungsbetrug und viele Titel aus kapitalintensiven Sektoren wie dem Automobilbau.
  • Übernahmehungrige Firmen: Konzerne, die serienweise grosse Übernahmen tätigen, enden meist als unführbares Flickwerk. Studien von Empirical Research belegen die langfristige Underperformance serieller Akquisiteure.
  • Überschuldete Firmen: Hohe Schulden sind nicht selten ein Produkt der obigen beiden Aktivitäten. Auch wenn eine Aktie günstig ist, sollte das Unternehmen eine reelle Chance haben, die nächsten zwei oder drei Jahre zu überleben, falls der Kapitalmarkt zwischenzeitglich dicht macht. Viele potenziell lukrative Turnarounds werden durch zu viele Schulden vorzeitig abgewürgt, oder der Niedergang wird durch die drückende Schuldenlast beschleunigt. Die hohe Verschuldung ist wohl einer der Gründe, wieso Aktien mit hohem Beta, also einer überdurchschnittlichen Schwankungsanfälligkeit, auf lange Sicht nachweislich schlecht performen.
  • Hochzyklische Firmen: Heute Top, morgen Flop, ist das Schicksal vieler hochzyklischer Titel. Entsprechend gut müssen das Management und der externe Investor im Timing der Zyklen sein – wir wissen aus Erfahrung, dass wir nicht gut darin sind. Etwas zyklisch darf das Geschäft schon sein, aber dann bitte immer ohne Schulden, welche den operativen Hebel noch mit einem finanziellen Hebel verstärken.
  • Geizige Firmen: Vor allem in Asien finden wir viele profitable Unternehmen mit viel Netto-Cash in der Bilanz, die den Minderheitsaktionär jedoch nicht am Geldsegen teilhaben lassen. Meist gibt es einen Kontrollaktionär oder eine Firmengruppe wie die koreanischen Chaebols dahinter, welche das Unternehmen auch ohne Mehrheitsbeteiligung faktisch kontrollieren und als privates Sparschwein oder Manager-Lehen nutzen. Wer viel Free Cashflow erwirtschaftet, aber nichts Produktives damit anstellt, kommt nicht in unser Depot.

Die genau gleichen Überlegungen von der negativen Seite her stehen übrigens auch hinter unserer Überzeugung, kein Makro-Investing oder Markt-Timing zu betreiben. Während zahlreiche Studien die Relevanz obiger Selektionskriterien bei Investments in Einzelaktien belegen, gibt es bis heute kaum Hinweise auf makroökonomische oder Markt-Timing-Strategien, die nachhaltig funktionieren. Wo wir keinen Vorteil für uns sehen, überlassen wir das Spielfeld gerne anderen.


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