16.06.2017

Die meisten Aktien sind miserabel

Die Mehrheit der Aktien schafft es nicht, auf lange Sicht einen positiven Ertrag zu bringen. Die gute langfristige Performance der Anlageklasse stammt von relativ wenigen erfolgreichen Titeln her. Dies erklärt, wieso naives Buy&Hold nicht funktioniert und wieso die Mehrheit der Anlagefonds den Index nicht schlagen können.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Geld verdienen mit Aktien wird oft bestechend einfach dargestellt: Man kauft ein paar gute Einzeltitel und bleibt trotz allen Kursschwankungen und Medienwirbeln ruhig darauf sitzen. Anhänger der Buy&Hold-Strategie bringen gerne Beispiele wie die Aktien von Coca-Cola ins Spiel. Wer im Juli 1926 einen damaligen Monatslohn von 200 Dollar in die Titel des Getränkeherstellers investiert hatte, wäre heute rund 13 Millionen Dollar reicher. Auch bei Procter&Gamble, Exxon, IBM oder Chevron wären über die gut 90 Jahre aus 200 Dollar mehr als eine Million geworden.

Doch was ist mit den Buy&Hold-Anlegern geschehen, die 1926 Aktien anderer stolzer Unternehmen gekauft und tapfer gehalten haben? Dow-Jones-Ikonen von 1926 wie American Sugar, Mack Trucks oder Remington Typewriter sind inzwischen längst durch Konkurs oder Übernahmen von den Kurslisten verschwunden. Andere Titel wie General Motors brachten über die 90 Jahre eher mickrige Renditen nur wenig über dem Sparbuch-Zins. Der Autobauer ging in der letzten Finanzkrise Konkurs und der langfristige Ertrag rührt allein von seinen Dividendenzahlungen her.

Es ist offensichtlich, dass bei der Argumentation für langfristiges Buy&Hold mit Einzeltiteln ein massiver Survivor-Bias mitspielt: Die Anleger sehen nur die überlebenden Erfolgsstories von heute und nicht die auf der Strecke gebliebenen Verlierer, die meist viel grösser an der Zahl waren.

Mehr als die Hälfte aller Aktien taugen nichts

Eine neue Studie von Hendrik Bessembinder (2017) hat deshalb untersucht, wie sich die gute langfristige Rendite des amerikanischen Aktienmarkts als Gesamtes tatsächlich auf die einzelnen Titel verteilt. Die Ergebnisse sind erschreckend: Mehr als die Hälfte aller seit 1926 in den USA gehandelten Aktien haben über ihre jeweilige Lebenszeit eine negative Rendite erbracht! Man denke hier nicht nur an spektakuläre Konkurse, sondern auch die Tausende von Small Caps und Penny Stocks, die in der Bedeutungslosigkeit dahindümpeln.

Das bedeutet, dass ein Anleger, der einfach ein paar Titel ausgewählt hat und dann darauf sitzen geblieben ist, mit der Hälfte seiner Positionen Geld verloren hat. Die entscheidende Frage ist dann, ob er die richtigen Gewinner erwischt hat. Denn auch dort sind die Ergebnisse gemäss Bessembinders Studie extrem ungleich verteilt: Von den rund 26'000 untersuchten Einzelaktien seit 1926 sind nur 1000 Titel oder 4% für die gesamte Wertschöpfung des Aktienmarkts in Dollar verantwortlich. Die anderen 96% aller je in den USA gehandelten Aktien haben es netto nicht geschafft, die Rendite einmonatiger T-Bills zu schlagen. Sprich, sie waren keine bessere Anlage als das Sparbuch.

Die Tatsache, dass der Aktienmarkt als Ganzes sehr gute langfristige Renditen erzielt, die Mehrheit der einzelnen Aktien aber nicht, kann auf die extrem asymmetrische oder rechtsschiefe Verteilung der Renditen der einzelnen Aktien zurückgeführt werden (siehe Grafik unten).

Beispiel für eine rechtsschiefe Verteilung der Rendite einzelner Aktien. Ganz rechts haben ein paar wenige Aktien sehr hohe Renditen erzielt. Links dagegen viele Aktien miserable Renditen bis hin zum Totalverlust. Die durchschnittliche Rendite (Mittelwert) liegt rechts vom Medianwert oder der Rendite, welche die Hälfte aller Aktien generiert haben.

Diese Tatsache ist mindestens seit 1978 bekannt. Gleichwohl sind deren Konsequenzen für den Anlagealltag bis heute wenig beachtet worden. Die rechtsschiefe Verteilung hat zum Beispiel einen grossen Effekt auf die Bildung von Einzelaktien-Portfolios. Wer Stock Picking betreibt, spielt auf lange Sicht in einer Lotterie, in der es wenige grosse Gewinner und viele Nieten gibt. Dies dürfte denn auch einer der Gründe dafür sein, wieso die Mehrheit aller Aktienfonds den jeweiligen Gesamtmarkt-Index auf lange Sicht nicht schlagen kann.

Ein vereinfachtes Beispiel macht diesen Effekt offensichtlich: Stellen Sie sich vor, es gäbe nur fünf Aktien am Aktienmarkt und ihre Gesamtrendite im Beobachtungszeitraum läge bei vier Aktien bei Null und bei einer Topaktie bei 100%. Die durchschnittliche Rendite aller fünf oder eines Index wäre also 20%. Wenn jetzt fünf aktive Stockpicker kommen und je eine Aktie auswählen, so liegen ihre Renditen auch in vier Fällen bei Null und in einem bei 100%. Die Durchschnittsrendite aller Stockpicker beträgt auch 20%. Vier von fünf aktiven Aktienselektoren hätten den Marktschnitt wegen der extrem rechtsschiefen Verteilung jedoch nicht geschlagen.

Diese Erkenntnis ist natürlich Wasser auf die Mühlen aller Proponenten des passiven Investierens mit Indexprodukten. Passives Indexing führt zwar ebenfalls zu ganz eigenen Problemen und Fehlinvestitionen (vgl. Quantex Werte Januar 2015). Zumindest aber wird die Gefahr gebannt, dass man die grossen Gewinner auf lange Sicht verpasst, da deren Gewicht in den Indizes mit dem Erfolg steigt.

Trotzdem gibt es Fonds und Strategien, welche den Marktindex auf lange Sicht schlagen können. Grob gesagt, lassen sie sich in zwei Gruppen aufteilen: Begnadete Stockpicker und systematische Ansätze.

Begnadeten Stockpicker gelingt es, die wenigen langfristigen Superaktien zu finden und diese zu halten. Oft haben diese eher einen wachstumsorientierten Ansatz. Es gibt darunter aber auch viele Value-Investoren wie Warren Buffett nach seiner Abkehr von einem allein auf günstige Bewertungen ausgerichteten Value-Stil in den 1970er Jahren. Generell zeichnet sich dieser Anlagestil durch konzentrierte Positionen und wenig Turnover aus. Wieso sollte man seine besten Rennpferde im Stall gegen zweitklassige Ackergäule tauschen?

Lucky Fools oder begnadete Stockpicker

Die Schwierigkeit bei diesem Ansatz ist es, die tatsächlich begnadeten Stockpicker von den zahllosen «Lucky Fools», den glücklichen Narren, zu unterscheiden. Immer wieder tauchen Fondsmanager auf, die mit einer oder zwei konzentrierten Wetten über 10 oder 20 Jahre fantastische Renditen erwirtschaftet haben. Hatten sie damit nicht einfach nur Glück und sind die Überlebenden in einem Meer von glücklosen Narren? Nicht selten scheitern sie dann irgendwann spektakulär mit einer weiteren konzentrierten Wette auf die falsche Aktie. Erst kürzlich haben sich etwa prominente Value-Investoren wie Bill Ackman oder Sequoia ihren langfristigen Track Record durch eine missratene grosse Wette auf Valeant Pharmaceuticals ruiniert.

Systematische oder quantitative Ansätze versuchen dagegen, durch die Umsetzung von zahlenbasierten Strategien eine Überrendite aus dem Aktienmarkt herauszuquetschen. Dazu gehören Faktorstrategien wie Value, Momentum oder Minimum-Varianz, welche zumindest in der Vergangenheit gut funktioniert hatten. Der Unterschied zu reinem Buy&Hold besteht hier vor allem darin, dass die Aktienportfolios ständig systematisch verändert werden. Das heisst, es werden sehr viele kleine Wetten platziert, welche über die Zeit eine Outperformance erbringen sollen. Denn auch die 96% aller Aktien, die wenig bis nichts zur langfristigen Wertschöpfung des Markts beigetragen haben, haben zwischendurch ja immer wieder ihre guten Phasen, in denen sie Überrenditen ermöglichen. Doch erfüllen sie die Anlagekriterien nicht mehr, werden sie verkauft und durch Titel mit besseren Werten ersetzt.

Als Quantex sind wir mit unseren Fonds hauptsächlich dem zweiten Ansatz verpflichtet. Wir halten uns nicht für begnadete Stockpicker, welche schon heute die grossen Gewinner von 2030 erkennen können. Sondern wir halten uns bei der Titelselektion an in der Vergangenheit gut bewährte quantitative Strategien. Unser Hauptfokus liegt dabei auf Value-Kennzahlen wie der Free-Cashflow-Rendite und einer soliden Bilanz. Denn es gibt noch eine weitere Möglichkeit, den Markt systematisch zu schlagen: Statt zu versuchen, die wenigen Superaktien zu erkennen, genügt es oft, das grosse Heer der wirklich schlechten Aktien zu vermeiden. Dazu gehören nach empirischer Erfahrung Titel von Unternehmen ohne Free Cashflow und/oder mit hohen Schulden, welche ständig auf die Gunst des Kapitalmarkts angewiesen sind. Auch Neuemissionen sind in den meisten Fällen miserable Investments. Firmen mit hohem operativen Leverage und einem stark zyklischen Geschäft sind erfahrungsgemäss eine weitere Kategorie von Aktien, welche man auf lange Sicht besser meidet.

Konklusionen zu Buy&Hold

  1. Naives Buy&Hold mit Einzelaktien funktioniert in den meisten Fällen nicht. Viele Titel werden über kurz oder lang zu Nieten und Totalverlusten. Das liegt in der Natur der «kreativen Zerstörung» der freien Marktwirtschaft.
  2. Wer in Einzelaktien investieren will, sollte sich schon beim Kauf klare Kriterien für den Ausstieg überlegen. Sonst ist die Gefahr zu gross, dass ein Anleger über die Zeit zu viele Performance-Leichen ansammelt. Ein regelmässiges Ausmisten des Depots ist zwingend notwendig.
  3. Buy&Hold mit Indexprodukten oder einem Fonds wie dem Quantex Global Value, der eine systematische Investitionsstrategie einsetzt, funktioniert dagegen auf lange Sicht sehr gut. Damit können Anleger von der langfristig überlegenen Rendite des Aktienmarkts profitieren.
  4. Buy&Hold ist mit solchen Produkten eine sinnvolle Strategie, um nicht den Versuchungen des Markttimings zu erliegen. Während nämlich empirisch die langfristige Mehrrendite von Aktien gegenüber allen anderen Anlageklassen gut belegt ist und ebenso die Tatsache, dass gewisse systematische Strategien bei der Titelselektion funktionieren, gibt es bis heute keine Belege für eine systematische Strategie des guten Timings zum Einstieg und Ausstieg aus dem Aktienmarkt.

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