16.07.2021

Weniger Rauch, mehr Rendite

Tabakaktien waren das beste Langfristinvestment überhaupt. Sie sind derzeit wegen des Hypes um nachhaltiges Investieren sehr unpopulär und damit billig geworden. Doch wer durch die Rauchschwaden blickt, sieht einen Sektor, der sich rapide wandelt hin zu weniger schädlichen und profitableren Produkten. Wegen rigiden Anlagerestriktionen verschlafen viele Investoren den Umbruch.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Was sind auf lange Sicht die idealen Voraussetzungen für ein hervorragendes Business? Ein Produkt, dass ständig nachgefragt wird, dessen Herstellung wenig kapitalintensiv ist und sich über die Zeit auch wenig ändert. Ein oligopolistischer Markt mit hohen regulatorischen Hürden für neue Konkurrenten hilft natürlich auch. Zigaretten waren und sind ein solches Produkt.

Der Tabaksektor war denn auch mit Abstand das beste Investment des letzten Jahrhunderts.

Gemäss dem Credit Suisse Investment Returns Yearbook war kein anderer Sektor von 1900 bis 2015 auch nur annährend eine so profitable Anlage wie Tabaktitel. Aus einem Dollar im Jahr 1900 investiert, wurden bis 2015 satte 6.2 Millionen Dollar. Ein Investment in den US-Index hätte im selben Zeitraum «nur» 38'000 Dollar gebracht.

An der weit überlegenen langfristen Rendite des Tabaksektors ändert auch die Underperformance der letzten paar Jahre wenig. Der Sektor musste jedoch wegen des Trends zu nachhaltigem Investieren ziemlich untendurch: Fundamental läuft das Geschäft, doch die Bewertungen der Aktien sanken. Nun werden die meisten Tabaktitel zu Preisen gehandelt, als wäre die Industrie im permanenten Niedergang.

Tatsächlich war der Tabaksektor nur vor der Jahrtausendwende ähnlich günstig wie heute. Damals bedrohten US-Sammelklagen mit exorbitanten Schadensersatzforderungen die Zigarettenhersteller. Ein umfassender Vergleich mit der amerikanischen Regierung beendete dann die Unsicherheit und führte zu einer Erholung der Bewertungen.

Die Grafik zeigt das geschätzte Kurs/Gewinnverhältnis (Forward P/E) der Tabakaktien im Verhältnis zum langfristigen Mittelwert. (Quelle: Ash Park, Refinitiv)

 

Die derzeit tiefe Bewertung beruht jedoch nicht nur auf der geringen Popularität des Sektors, sondern auch auf einem verbreiteten Irrtum: Die Anleger nehmen wegen der schlechten Presse an, dass die Branche sich im permanenten Niedergang befindet. Tatsächlich sinkt in den meisten Ländern die Zahl der verkauften Zigaretten seit Jahren. Doch die Umsätze und die Cashflows der Tabakkonzerne wachsen weiter. Wie ist das möglich?

Der Sektor wächst entgegen den Vorurteilen weiter

Die Umsätze bei traditionellen Zigaretten wachsen, weil die Rückgänge bei den verkauften Volumen durch Preiserhöhungen mehr als kompensiert werden können.

Die unbestrittene Preismacht des Sektors wird sogar durch die hohen Tabaksteuern begünstigt.

Ein Pack Zigaretten kostet den Konsumenten in vielen Ländern etwa 8 Euro oder Dollar. Davon sind aber rund Dreiviertel Steuern für den Staat. Wird der Endverkaufspreis von den Herstellern um moderate 2.5% oder 20 Cents auf 8.20 erhöht, so entspricht dies nach Abzug der Steuern einer Preiserhöhung von 20 Cents auf 2 Euro oder Dollar Marge für die Hersteller, also um satte 10% netto.

Vor allem aber wächst der Sektor wieder wegen der zahlreichen alternativen Produkten, die in den letzten Jahren auf den Markt kamen. Diese werden meist als „Produkte mit Reduziertem Risiko“ geführt (Reduced Risk Products oder RRP). Sie sind offensichtlich weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten oder Zigarren, wenn auch die Resultate langfristiger Studien verständlicherweise noch nicht zur Verfügung stehen. Gleichzeitig bringen sie den Herstellern höhere Margen, da sie meist tiefer oder gar nicht besteuert werden, aber zu ähnlichen Preisen wie Zigaretten verkauft werden.

Der Sektor wandelt sich derzeit so schnell, dass unbeteiligte Beobachter schnell den Durchblick verlieren. Zudem bestehen Missverständnisse wie etwa die irrige Annahme, dass Raucher an Nikotin sterben. Nikotin ist jedoch ein relativ harmloses und schnell abbaubares, wenn auch süchtig machendes Nervengift. Raucher greifen wegen des Nikotins zu Zigaretten, sterben jedoch an Krebs wegen Verbrennungsprodukten wie Teer und Formaldehyd. Deshalb geben wir einen kurzen Überblick über die bestehende Palette an alternativen Produkten zu Zigaretten:

  • Bei E-Zigaretten wird eine nikotinhaltige Flüssigkeit in einem Stift elektrisch erhitzt und der Dampf inhaliert. Man spricht deshalb auch von «Dampfen» oder «Vaping». Weil kein Tabak verbrannt wird, gelangen weniger Teer und andere krebserregende Stoffe in die Lunge. Die Betonung liegt auf weniger: Auch bei E-Zigaretten sind noch krebserregende Stoffe enthalten, die langfristig schädlich sein können. Ausserdem können die Aerosole des Dampfens die Lunge direkt schädigen.
  • Bei Heated Tobacco wird Tabak in einem speziellen Stift nicht verbrannt, sondern nur erhitzt, so dass sich das Nikotin in verdampfter Form inhalieren lässt. Das populärste Produkt ist IQOS von Philip Morris. Geschmack und Erlebnis gleichen am ehesten demjenigen herkömmlicher Zigaretten, weshalb der Um-stieg für viele Raucher leichtfällt. Gemäss Studien von Philip Morris gelangen mit IQOS rund 95% weniger Schadstoffe in die Lunge als bei Zigaretten. Heated Tobacco ist also auch nicht risikolos, die Gefahr ist aber logischerweise wesentlich geringer.
  • Snus oder oraler Tabak haben in Skandinavien, den USA und anderen Ländern eine lange Tradition. Getrockneter Tabak wird mit Salzen und Geschmacksstoffen in ein Beutelchen gepackt, dass unter die Oberlippe geschoben wird. Dann wird das Nikotin über die Schleimhäute aufgenommen. Auch Snus ist nicht völlig ungefährlich und kann Krebs oder Rachenentzündungen verursachen. Da jedoch keine Verbrennungsprodukte entstehen, ist die Krebsgefahr massiv tiefer. Dies zeigt nicht zuletzt die nur rund halb so hohe Rate von Lungenkrebstoten in Schweden, wo Snus weit verbreiteter ist als Zigaretten. In Schweden rauchen nur rund 5% der Bevölkerung, die mit Abstand tiefste Quote in der EU. Über 20% nehmen dafür regelmässig Snus. Eine Studie schätzt, dass die EU rund 100'000 Tabaktote im Jahr vermeiden könnte, würde sie das schwedische Modell mit Snus statt Zigaretten adaptieren. Unsinnigerweise ist jedoch der Verkauf von Snus und allem oralen Tabak in der EU verboten.
  • Nikotinbeutel oder englisch «Nikotin Pouches» sind das neuste und vielversprechendste alternative Produkt. Es sind kleine Päckchen mit nikotinhaltigen Salzen und Geschmackstoffen, die wie Snus unter die Oberlippe geschoben werden. Sie enthalten jedoch gar keinen Tabak mehr. Die Idee dahinter ist, schädliche Reaktionen von Tabak über die Schleimhäute ganz zu vermeiden und gleichzeitig das Verbot von oralem Tabak in der EU zu umgehen. In vielen Ländern ist der Rechtsstatus der Nikotinbeutel noch ungeklärt oder sie wurden pauschal verboten. Ein deutsches Gericht hat den Verkauf von Nikotinbeuteln kürzlich untersagt, weil sie zwar kein orales Tabakprodukt sind, aber mit Nikotin angereicherte Lebensmittel, welche Grenzwerte für Lebensmittel überschreiten würden.

Es braucht wenig wissenschaftlichen Sachverstand und nur eine kurze Sichtung der Datenlage, um zum Schluss zu gelangen, dass alle diese alternativen Produkte tatsächlich weniger gesundheitsschädlich sein sollten als Zigaretten. Ein Umstieg möglichst vieler Raucher wäre gesundheitspolitisch zu begrüssen. Die Regulatoren müssten deren Absatz eigentlich sogar aktiv fördern. 

Die Argumente der Gegner von Alternativen

Gleichwohl sträuben sich viele Politiker und Regierungen meist aus zwei Gründen dagegen: Erstens sind viele von der Vorstellung geleitet, die Zahl der Nikotinabhängigen, egal in welcher Form, müsse mit Steuern und Verboten auf null runtergebracht werden. Nach dieser eher puritanischen Ansicht muss natürlich auch der Konsum von Alkohol, Kaffee oder raffiniertem Zucker auf null gedrückt werden.

Neben der moralischen Frage, ob diese Bevormundung der Bürger wirklich die Aufgabe des Staates ist, stellt sich in der Praxis auch das Problem, dass Prohibition trotz bestehender Nachfrage letztlich nur Geschäftschancen für das organisierte Verbrechen schafft.

Sei es bei harten Drogen, Zigarettenschmuggel oder der missglückten Alkohol-Prohibition in den USA der 1920er und 1930er Jahre.

Das zweite Argument gegen alternative Produkte besteht darin, dass deren geringere Gefährlichkeit eher zum Neueinstieg in die Nikotinsucht ermuntert. Der Einstieg in Alternativprodukte wird zudem gerade für Jugendliche durch Geschmackssorten wie Erdbeere, Espresso oder Minze erleichtert.

Dieses Argument kann man vertreten. Doch auch hier lässt sich als Gegenargument anführen, dass Jugendliche besser relativ unschädlichen Nikotinprodukten verfallen anstatt echten Zigaretten oder harten Drogen, dem Medikamentenmissbrauch oder dem Alkohol.

Für die Tabakkonzerne sind rauchfreie Produkte auf jeden Fall eine Chance, die gesundheitlichen Folgen der Nikotinsucht zu verringern und ihr Image zu verbessern. Zu Ende gedacht, müssten Branchenvertreter wie Philip Morris sogar eine Topposition in jedem ESG-Fonds sein: Der US-Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, sämtliche seiner Kunden vom Rauchen zu Heated Tobacco zu bringen. Dies würde langfristig wohl viele Tausend Tote jedes Jahr verhindern.

Fonds, denen es ernst ist mit relativer Weltverbesserung durch ESG, müssten in Sachen Tabaktitel nochmal über die Bücher. Stattdessen wird lieber mit rigiden und teilweise sehr amerikanisch-puritanischen Ausschlusskriterien gearbeitet: Tabak, Alkohol oder Glückspiel sind böse, Technologietitel wie Facebook und Google dagegen immer gut.

Eine grosse Chance für pragmatische Investoren

Aus unserer Sicht als pragmatische Investoren sind die neuen alternativen Produkte eine gute Chance auf mehr Gewinnwachstum und zugleich wieder höhere Bewertungen bei Tabaktiteln. Hinzu kommen altbewährte Stärken wie Preismacht in der angelaufenen Inflation und generell wenig Kapitalbedarf für Investitionen. Werbeverbote für Tabakprodukte verstärken zudem faktisch die Position der etablierten Anbieter, da sie neuen Konkurrenten den Markteintritt massiv erschweren.

Die Wallstreet und viele Institutionelle Investoren scheinen den Trend zu alternativen Produkten in der Tabakindustrie völlig zu verschlafen. Mit unserem Quantex Global Value Fund sind wir dagegen praktisch über den ganzen Sektor investiert: Von relativ trägen, aber sehr günstigen Tabakkonzernen wie Imperial Brands und Korea Tobacco über Altria und BAT bis hin zu Vorreitern des Sektorwandels wie Philip Morris und Swedish Match, die eine höhere Bewertung aufweisen. Wo weniger Rauch ist, ist mehr Rendite möglich.

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