12.10.2016

Value bei Immobilien

Die Häuserpreise steigen seit Jahren und haben ein gefährliches spekulatives Niveau erreicht. Anleger kaufen Immobilien meist nur noch wegen des erhofften Wertzuwachses, nicht wegen der Mietrendite. Ausserhalb des überteuerten schweizerischen und deutschen Marktes gibt es aber in Immobilienaktien durchaus noch Value zu finden – und satte Dividendenrenditen.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Bei den Obligationen ist der Ausdruck „renditeloses Risiko“ inzwischen zur Binsenweisheit geworden. Käufer von langlaufenden Anleihen mit negativem Zins sind fast nur noch institutionelle Investoren unter regulatorischen Zwängen, denen das renditelose Risiko letztlich egal ist.

Doch Immobilienanlagen in westlichen Ländern bewegen sich gerade wegen den stark gesunkenen Zinsen inzwischen in dieselbe Richtung auf die Nullmarke hin – kaum noch Ertrag und ein schlummerndes Risiko, das nach Jahren des Preisbooms wohl von vielen Anlegern unterschätzt wird. Neben den Institutionellen, die hier ebenfalls als Preistreiber fungieren, sind bei Immobilien nach wie vor auch viele Privatanleger aktiv.

Die Häuserpreise steigen in der Schweiz seit Jahren stärker als die Mieteinnahmen. Entsprechend sinken die Bruttorenditen. Inzwischen sind es nur noch 3-4% des Anlagewerts. In einzelnen Fällen werden Objekte in der Schweiz auch so hoch gehandelt, dass nur noch 2% Bruttorendite rausspringen. In Deutschland geht die Tendenz mit etwas Verzögerung in dieselbe Richtung.

Zieht man von den tiefen Bruttorenditen 1% oder mehr für Betrieb und Unterhalt ab, so bleibt Netto nicht mehr viel – wenn auch immer noch mehr als Null wie bei den Obligationen. Und natürlich kann man die Rendite mit Einsatz von billigem Fremdkapital wieder etwas hochhebeln.

Doch werden Anleger damit wirklich für alle Risiken eines Immobilieninvestments entschädigt? Namentlich das Risiko von Leerständen, steigenden Zinsen und – manche glauben es kaum – fallenden Preisen. Die Frage ist etwas müssig zu diskutieren, weil nach über einem Jahrzehnt Immobilienboom viele Anleger zur Überzeugung gelangt sind, dass die Häuserpreise nur steigen können.

Stabile Preise schaffen zukünftige Instabilität

Es braucht nur einen kurzen Exkurs ins Ausland, etwa nach Italien oder Spanien, oder in die Vergangenheit wie die 1990er Jahre in der Schweiz, um zu sehen, dass die Preise durchaus deutlich fallen können. Ganz im Sinn von Hyman Minskys Credo „Stabilität schafft Instabilität“ dürfte es dabei so sein, dass die Preise umso mehr fallen werden, umso mehr die Anleger geglaubt haben, dass sie für immer steigen oder zumindest stabil sein werden. Denn entsprechend sorglos und mit viel Kredithebel haben sie am Schluss investiert.

Genauso wie die Zinswende jedoch seit Jahren auf sich warten lässt, steht auch der Immobiliencrash noch aus. Es soll an dieser Stelle gar nicht der Versuch unternommen werden, diesbezüglich eine Voraussage abzugeben. Tatsache jedoch ist, dass die effektiven Anlagerenditen auf Immobilien in der Schweiz oder Deutschland heute sehr tief sind. Das ist letztlich das einzige, was für den Investor im Sinn von Benjamin Graham zählt. Als Spekulant darf man gerne teuer kaufen und auf noch höhere Preise hoffen.

Die Renditen sind tief im Vergleich zu ihrer eigenen Geschichte, tief im Vergleich zur aktuellen Dividendenrendite von Aktienanlagen und vor allem auch tief im Vergleich zu den Renditen auf Immobilienanlagen im europäischen Ausland. Gerade dort gibt es nämlich nach wie vor sehr interessante Investments.

Während sich Pensionskassen, Immobilienfonds und Privatanleger um Renditeobjekte in der Schweiz prügeln und immer höhere Preise dafür bezahlen, gibt es in anderen Teilen Europas Immobilien zu Schnäppchenpreisen. Statt 2% Nettorendite sind es oft 6% und mehr. Und statt einen Aufpreis für ein diversifiziertes Immobilienportfolio zu zahlen, wie man das mit Schweizer Immobilienfonds in Form eines Agios oder einer Prämie zum Buchwert muss, gibt es Immofonds in Süd- und Osteuropa oft mit einem satten Preisabschlag zum Nettoinventarwert zu kaufen. In der Folge werden ein paar Beispiele dazu gezeigt.

Die Berechnung dieses Nettoinventarwerts NAV ist dabei relativ simpel und solide. Man nimmt die effektiven Mieteinahmen und einen Diskontierungsfaktor für diese Cashflows und errechnet daraus den NAV. In Ländern mit höheren Zinsen und/oder höherem Risiko ist der Diskontierungsfaktor entsprechend höher.

Immo-Value in Osteuropa

Um ein praktisches Beispiel aus dem Quantex Global Value Fonds zu nehmen: Atrium European Real Estate ist eine Beteiligungsgesellschaft, die Shopping Centers in Osteuropa unterhält. Die Nettorenditen dieser Immobilien betragen zwischen 6% in Polen und Tschechien, über 10% in Ungarn bis zu 12% im krisengeplagten Russland. Die Diskontierungsfaktoren für die Berechnung des NAV liegen auf jeweils etwa ähnlichem Niveau und wiederspiegeln damit das jeweilige Länderrisiko. Im Mittel beträgt die Nettorendite Atriums etwas über 7%, da das Portfolio schwergewichtig in Polen domiziliert ist.

Was die Atrium-Aktie nun aus unserer Value-Sicht interessant macht, ist ihr Preis 30% unter dem Buchwert beziehungsweise NAV. Damit erhalten Anleger eine Art doppelte Sicherheitsmarge: Immobilien in Osteuropa mögen zwar riskanter sein als in der Schweiz, doch die Mietrenditen und Diskontierungsfaktoren sind auch entsprechend höher. Für dieses Risiko wird der Anleger schon entschädigt. Nun kann er das mit einem höheren Satz diskontierte Immobilien-Portfolio aber nochmals mit einem Abschlag von 30% kaufen.

Bei Immofonds in der Schweiz besteht der genau umgekehrte Fall: Mietrenditen und Diskontierungsfaktoren sind sehr tief und lassen wenig Raum für Fehler oder einen Preissturz – und die entsprechenden Vehikel werden erst noch mit einem Aufpreis zum vermutlich zu hohen und riskanten Buchwert gehandelt.

Höhere Nettorenditen und ein Abschlag zum Buchwert, auf dem sich die Nettorendite berechnet, bewirken auch, dass eine Immoaktie wie Atrium eine sehr hohe Dividendenrendite aufweisen kann. Die aktuelle Ausschüttungsrendite beläuft sich auf 7.1% ohne die kürzlich gewährte Sonderdividende. Sie ist damit voll durch die laufenden Mieteinnahmen gedeckt. Immoaktien in der Schweiz zahlen dagegen ihre teils hohen Dividenden zu einem grossen Teil aus Aufwertungsgewinnen anstatt den laufenden Mieterträgen. Gerade wegen den hohen Mietrenditen besteht damit bei der Atrium-Aktie noch einiges Potenzial für Kursgewinne.

Antizyklisch Immobilien kaufen in Griechenland

Grivalia Properties ist eine griechische Real Estate Investment Company (kurz REIC analog den amerikanischen REIT) mit einem Portfolio von etwas über 800 Millionen Euro. Investitionen in Griechenland benötigten in den letzten Jahren starke Nerven. Das gute dabei: Neubauten werden praktisch keine mehr erstellt. Doch dank einer Kapitalerhöhung mit der Rückendeckung von Fairfax Financial, dem Vehikel von Value-Investor Prem Watsa, befindet sich Grivalia antizyklisch auf Expansionskurs. In den letzten drei Jahren kauft der REIC mehrere Geschäftsliegenschaften in Griechenland dazu mit Brutto-Mietrenditen von um die 10%. Grivalia ist momentan praktisch schuldenfrei, was unüblich ist für eine Immobilienfirma. Das Unternehmen will das Leverage in den nächsten Jahren aber zwecks weiteren Zukäufen erhöhen. Aktuell beläuft sich die Netto-Mietrendite auf rund 5%. Der grösste Teil davon wird ausgeschüttet, so dass die Dividende aktuell 4.6% beträgt.

Abschläge zum Buchwert realisieren in Italien

Eine weitere Value-Möglichkeit eröffnet sich derzeit bei kleinen geschlossenen italienischen Immobilienfonds. Die meisten dieser Vehikel wurden um die Jahrtausendwende aufgelegt als Spin-offs von Regionalbanken und befinden sich überwiegend in den Händen von Privatanlegern. Seither mussten sie in der Regel Abwertungsverluste verbuchen. Da viele dieser Fonds relativ klein sind mit Immobilien-Portfolios um die 100 Millionen Euro, sind die Aktien relativ illiquide. Das erklärt denn auch zusammen mit den negativen Schlagzeilen für Italien die Tatsache, dass viele dieser Fonds mit Abschlägen zum NAV zwischen 30% und 50% gehandelt werden.

Was die italienischen Immofonds nun besonders interessant macht, ist die reglementarische bestimmte Liquidation vieler Fonds nach 15 Jahren Laufzeit. Verlängerungen um drei Jahre oder mehr sind unter aussergewöhnlichen Umständen möglich. Viele dieser Vehikel befinden sich derzeit effektiv in Liquidation. Das heisst, sie verkaufen ihre Immobilien und tätigen mit den Erlösen ständig Kapitalrückzahlungen. Die geschätzten NAV scheinen dabei durchaus ihre Richtigkeit zu haben. Bei Teilverkäufen von Immobilien werden meist Preise um den geschätzten Buchwert gelöst, auch in der aktuellen Krise. Das bedeutet, dass Anleger gute Chancen haben, den Abschlag zum NAV auf den gehandelten Aktien innerhalb der nächsten Jahre als Kursgewinn zu realisieren. Interessante Titel für eine vertiefende Analyse sind in unseren Augen etwa UnicreditoImmobiliare Uno, QF Amundi Re Italia, Polis Fund oder Atlantic 1.

Fazit

Wer in Immobilien investieren will, tut dies momentan besser abseits der heiss gelaufenen Märkte. In Süd- und Osteuropa liefern Immobilienaktien und -fonds nicht nur höhere Renditen, sondern auf lange Sicht auch mehr Potenzial für Kapitalgewinne.


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