11.02.2021

Die Inflationswelle rollt an

Die Anleger feiern unbekümmert eine rauschende Party: Ob Aktien, Anleihen, Rohstoffe oder Kryptowährungen, alles wird gekauft, alles steigt. Riesige spekulative Sandburgen werden aufgetürmt. Doch hinten am Horizont rollt eine gewaltige Welle heran, welche droht, all die Fantasieprodukte hinweg zu spülen: Die Inflation kommt zurück.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Haben Sie in den letzten Wochen versucht, ein neues Fahrrad zu kaufen? Oder Zubehör dazu? Ausverkauft, nicht lieferbar, steigende Preise: Willkommen in der neuen Welt von Corona-Lockdowns und staatlichen Stimulusprogrammen mit der Notenpresse. Die Containerpreise für Schiffstransporte aus China haben sich in Jahresfrist glatt verfünffacht. Die Stahlpreise haben sich fast verdoppelt. Die Hersteller kommen mit der Produktion nicht nach. Gemäss dem Online-Händler Galaxus sind manche Hersteller bis 2023 ausgebucht.

Praktisch in allen Branchen haben die Einkaufsmanager mit Knappheit und steigenden Preisen zu kämpfen: Der ISM-Index für bezahlte Preise in den USA stieg im Januar auf 82.1 Punkte, ein absoluter Spitzenwert. Ein Wert von 50 ist neutral, ein Wert von 60 zeigt eine ordentliche Expansion der Wirtschaft an. Und dabei hat der grosse Wiedereröffnungsboom der meisten Volkswirtschaften noch nicht einmal begonnen.

Die Rohstoffpreise steigen und steigen trotz zwischenzeitlicher Corona-Delle, nicht nur für Stahl und zukunftsträchtige Metalle der Energiewende wie Kupfer oder Nickel. Sondern auch für Lebensmittel wie Getreide oder Speiseöl: Der globale Food Price Indexder UNO kletterte in den letzten zwölf Monaten um 10.5% nach oben (siehe Grafik). Bereits warnt die Organisation vor neuen politischen Unruhen, die sich in der Vergangenheit in vielen Ländern bei ähnlich steilen Preisanstiegen ergeben haben.

Die Grafik zeigt die globale Entwicklung verschiedener Lebensmittelpreise über die letzten zwölf Monate gemäss den Erhebungen der Food and Agriculture Organisation (FAO) der Vereinten Nationen. (Quelle: FAO)

Auch an den Finanzmärkten steigen die Inflationserwartungen: Bei 2.2% sind die aus dem US-Anleihenmarkt abgeleiteten Inflationsprognosen für die nächsten zehn Jahre nun angelangt, der höchste Stand seit 2014. Der Deutsche Anleihenmarkt zeigt derzeit etwas über 1% Teuerung an.

Das wären nur moderate Preisanstiege, welche der Aktienmarkt wohl gut wegstecken könnte. Doch auf Grund der Rohstoff- und Frachtpreise sowie Schätzungen über die Output-Lücke und dem massiven Anstieg der Geldmenge M2 rechnen manche Experten mit Inflationsraten von 5% oder gar 10% in diesem Frühjahr, wenn die Vorjahrsvergleiche auf Grund der Delle aus den ersten Lockdown-Welle plötzlich ungünstig ausfallen.

Halt, halt, mag jetzt manch einer einwenden, wir sind immer noch im teilweisen Lockdown und die Arbeitslosigkeit steigt – kann es da zu anhaltender Inflation kommen?

Natürlich kann es das, dafür braucht man nur in die Stagflation der 1970er Jahre oder aktuell auf Länder wie Argentinien, Venezuela oder die Türkei zu schauen: Hohe Arbeitslosigkeit und hohe Teuerung gehen Hand in Hand, wenn eine Wirtschaft strukturelle Defizite hat und gleichzeitig der Staat versucht, alle Probleme mit frisch gedrucktem Geldzu lösen.

Dieses Rezept kommt uns auch in Mitteleuropa inzwischen bekannt vor. Ganze Sektoren sind auf Grund fragwürdiger staatlicher Massnahmen stillgelegt und werden mit Geld aus der Notenpresse dafür entschädigt, nichts zu produzieren und keine Dienstleistungen anbieten zu dürfen. Das ist der Weg zu mehr Inflation wie aus dem Lehrbuch. Einzig die Restriktionen beim Konsum und Reisen dämpfen momentan noch die Preisanstiege, während sich das Geld in den Bankkonten der Leute türmt.

Dass nun die USA unter Präsident Biden ein weiteres massives Stimulus-Programm über 1900 Milliarden Dollar durchziehen wollen, ist mit Blick auf die Wirtschaftsöffnung im Frühjahr nochmals ein grosser Guss Öl ins Feuer.

Was wären die Folgen von 5% Inflation?

Wie gross die Preisanstiege wirklich werden, ist derzeit noch ungewiss. Aber als Anleger sollte man sich jetzt Gedanken darüber machen, was die Folgen für die Märkte sein könnten, wenn wir tatsächlich bald eine Inflationsrate von 5% kriegen.

Für viele Anleger wäre es sicherlich ein Schock. Am Anleihenmarkt drohen massive Verluste in Erwartung steigender Zinsen. Die Notenbanken haben zwar angekündigt, die Zinsen noch lange tief zu halten und die Teuerung auch mal nach oben überschiessen zu lassen. Doch bei 5% wäre dies kaum haltbar.

Wird nichts unternommen, drohen ein Verfall der Währung und damit weiter steigende Preise. Die Geld- und Fiskalpolitik müsste in der einen oder anderen Form verknappt werden. Dies wiederum würde der wilden Spekulation mit Aktien und Immobilien wohl auch ein Ende bereiten.

Es kommt diesbezüglich gar nicht so darauf an, ob die Notenbanken überhaupt etwas tun. Nur schon die Aussicht, dass sie den Geldfluss verknappen könnten, würde massive Schockwellen anden Märkten auslösen. Denn viele rechneten fest mit keinen Zinserhöhungen vor 2023.

Steigende Preise erhöhen zudem den Bedarf an liquiden Mitteln. Unternehmen brauchen plötzlich mehr Geld als gedacht, um ihre Warenlager wieder aufzufüllen. Und die Konsumenten stellen fest, dass der Einkauf oder die Sommerferien deutlich teurer werden als geplant. Vielleicht wird der eine oder andere dann doch ein paar der Aktien verkaufen wollen, mit denen im Lockdown aus Langeweile gezockt wurde.

Dieser Effekt mag zu Beginn harmlos sein. Doch je länger die Inflationsspirale dreht, desto mehr nimmt der Cash-Crunch zu. Damit steigt der Druck auf die Vermögenswerte. Mit der Inflation fallen die Bewertungen langlaufender Assets wie Aktien oder Immobilien. Im Extremfall einer Hyperinflation wird alles verramscht, was irgendwie zu Geld gemacht werden kann, um Lebensmittel zu kaufen. Wie der Schriftsteller Stefan Zweig in seiner Autobiographie berichtet, konnte man in der Hyperinflation der 1920er Jahre in Berlin mit 100 US-Dollar, damals noch goldgedeckt, ganze Häuserblocks kaufen.

Eine laufende Inflationsspirale ist schwer zu stoppen

Die notgetriebene Kurzfristigkeit des Handelns führt dazu, dass weniger investiert und damit längerfristig weniger produziert wird. Was wiederum die Preise erhöht, wenn der Staat weiter Geld in die Wirtschaft pumpt. Ist die Inflationsspirale einmal angelaufen und hat sich die Psychologie der Konsumenten und Unternehmen verändert, ist ein Ausbruch aus dem Teufelskreis nur noch schwer und mit hohen politischen Kosten möglich.

Mit den Lockdowns und den extremen fiskalischen Stimulus-Massnahmen wie sonst nur zu Kriegszeiten wurde ein riskanter Pfad eingeschlagen. Die gesellschaftlichen Spannungen nehmen jetzt schon zu auf Grund der Restriktionen des Alltags- und Wirtschaftslebens. Was ist, wenn nun eine Inflationswelle hinzukommt und damit die Regierungen gezwungen werden, das gut gemeinte, aber in diesem Ausmass unhaltbare Geldverteilen einzuschränken oder noch höhere Teuerungsraten zu riskieren?

Die Aussichten sind keineswegs so rosig, wie die rauschende Börsenparty derzeit impliziert. Erfahrungsgemäss dauern Phasen, in denen jede Anlageklasse und praktisch jeder Anleger Gewinn macht, nicht lange. Auch wenn genau dann jeder behauptet, ein «Langfrist-Investor» zu sein.

Unser Portfolio im Quantex Global Value ist derzeit eher auf zeitnahe Cashflows ausgerichtet mit vielen zyklischen Titeln mit tiefen Bewertungen. Nicht wenige davon stammen aus dem Rohstoffsektor und könnten von steigender Inflation zumindest kurzfristig profitieren. Wir haben diese Aktien jedoch nicht aus einer Makro-Sicht mit Blick auf die Inflationsgefahr gekauft, sondern weil sie so günstig und unbeliebt waren. Wenn jeder superlangfristig und zu teils absurden Preisen auf neue Zukunftstechnologien setzen will, nehmen wir die Gegenseite im hier und jetzt ein.

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