06.10.2017

ETF sind praktische Werkzeuge zur Selbstverstümmelung

Der Anleger ist meist sein eigener grösster Feind: Selbst gute Werkzeuge wie ETF setzt er zu seinem Schaden ein. Umfangreiche Studien zeigen, dass die meisten Investoren im Schnitt ohne ETF eine bessere Performance aufweisen würden. Wir liefern eine Wegleitung zu ihrer sicheren Handhabung.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Viele Finanzinstrumente dienen in erster Linie dazu, Gebühren zu verschleiern und die Taschen ihrer Erfinder zu füllen. Man denke hier zum Beispiel an Strukturierte Produkte oder viele Hedge Funds. Andere Innovationen wie Exchange Traded Funds oder kurz ETF sind in der Theorie wirklich nützlich: ETF ermöglichen es dem Anleger, einen Korb Aktien oder anderer Wertpapiere tagtäglich transparent und gebührengünstig wie eine Aktie zu handeln. Ein Arbitrage-Mechanismus verhindert zudem, dass der Unterschied zwischen dem Börsenkurs des ETF und dem Wert seines Inhalts nicht zu gross wird. Inzwischen gibt es Tausende von ETF, sei es auf Indizes, Sektoren, Trendthemen oder spezifische Strategien wie «Smart Beta».

Genau wie Heckenscheren, Vorschlaghämmer und andere praktische Werkzeuge sind ETF jedoch bei falscher Benutzung gefährlich. Die Gefährlichkeit von ETF ergibt sich gerade aus ihrer scheinbar einfachen Handhabung. Jeder Anleger kann aus einer verlockend grossen Auswahl tagtäglich ETF kaufen oder verkaufen. Nur die wenigsten tun dies mit Erfolg.

Eine Studie von Bhattacharya, Loos, Meyer & Hackethal (2017) hat Tausende von Kundendepots eines deutschen Online-Brokers hinsichtlich der Anwendung von ETF untersucht. Das deprimierende Resultat: Durch den Einsatz von ETF sank die Portfolio-Rendite im Schnitt um 1.2% pro Jahr. Der Hauptteil der Minderrendite erklärt sich in der Untersuchung durch das schlechte, prozyklische Timing der ETF-Käufe und -Verkäufe. Die Art des gewählten ETF ist dabei nicht statistisch relevant. «Es scheint, dass Investoren beim Handel von ETF dieselben Fehler machen wie beim Handeln anderer Instrumente», lautet das Fazit der Autoren.

Damit spielen sie auf das bekannte Phänomen an, dass es der durchschnittliche Anleger in einem Fonds gemäss verschiedenen Studien nicht schafft, die langfristige Rendite desselben Fonds zu erreichen. Das meiste Geld fliesst den Fonds nach einer Boomphase zu just bevor meistens eine Phase der Underperformance beginnt. Und nach langer Underperformance verbleiben in der Regel nur noch wenig Anleger in einem Fonds. Die geldgewichteten Anlagerenditen des durchschnittlichen Investors liegen deshalb immer deutlich unter den ausgewiesenen Renditen eines Fonds.

ETF fördern prozyklisches Handeln

Die leichte Verfügbarkeit und die tiefen Gebühren von ETF fördern also letztlich die prozyklische Handelsneigung der Anleger. Die grosse Auswahl von glänzenden Heckenscheren führt dazu, dass Investoren sich hinter Hecken machen, die eigentlich gar nicht geschnitten werden müssten. Damit steigt die Gefahr von Unfällen. Davon sind mit Sicherheit nicht nur Privatanleger wie in der deutschen Studie betroffen, sondern auch die allermeisten Profis.

Eine aktuelle Untersuchung von Empirical Research zeigt die Kehrseite der prozyklischen Geldströme über ETF: Aktien, die zu einem grossen Teil in der Hand von Sektor-ETF sind oder die von ETF mit grossen Inflows gehalten werden, tendieren im Schnitt zu einer Underperformance von 3% im Jahr. Gerade Investoren in Sektor- oder Themen-ETF scheinen notorische Performancejäger zu sein, die meist zu spät zur Party kommen.

Ein weiteres Problem: Mit der steigenden Zahl von ETF nimmt ihre Effizienz ab. Dies gilt vor allem für solche, welche spezifische Strategien wie Value oder Momentum verfolgen, die meist unter dem Oberbegriff «Smart Beta» zusammengefasst werden. Empirical Research fand heraus, dass die Quote der ETF, die ihren Benchmark schlagen, ständig am Sinken ist. Besonders stark ist dieser Einbruch bei Smart-Beta-ETF. Die darin verwendeten Strategien werden aus Marketinggründen auch immer komplexer – damit steigt das Risiko, dass es sich bei einer Strategie um reines Backtest-Overfitting handelt und der ETF in der Praxis kläglich scheitert.

ETF als finanzielle Massenvernichtungswaffen

Bei all diesen Problemen geht es allerdings nur um die Handhabung von ETF durch Investoren. Die grundsätzliche Frage nach dem Sinn von ETF, wenn immer grössere Teile des Marktes durch solche passiven Vehikel bestimmt werden, kommt als weitere Problemebene hinzu. Man muss nicht gleich so weit gehen wie die Fondsmanager von First Pacific Advisors, welche kürzlich ETF als finanzielle «Massenvernichtungswaffen» bezeichnet haben. Logisch ist aber, dass es mit dem zunehmenden Anteil von ETF am Gesamtmarkt zu neuen Verzerrungen kommen muss – und sei es nur, weil passive ETF-Investoren zum Beispiel der Führung eines Unternehmens oder seiner Bewertung keine Beachtung mehr schenken.

Aus unserer Sicht als aktive Stockpicker ist das zunehmend passive und prozyklische Herdenverhalten der ETF-Investoren jedoch eine durchaus positive Entwicklung. Es dürfte in Zukunft zu mehr Fehlbewertungen am Aktienmarkt kommen, welche wir ausnutzen können. Die Outperformance unserer Quantex-Fonds hat in all den Jahren des ETF-Booms nicht abgenommen.

Wie bei jedem Werkzeug ist es letztlich eine Frage der richtigen Verwendung für die richtige Aufgabe. Als Fazit eine kleine Liste von Tipps zur praktischen Handhabung von ETF:

  • Versuchen Sie generell, das Umschichten mit ETF zu begrenzen, auch wenn die Transaktionskosten tief sind. Sinnvoller ist eine fixe Allokation, welche in regelmässigen Zeitabständen rebalanciert wird. Das heisst, die Depotanteile der einzelnen ETF werden auf die ursprünglich festgelegten Quoten zurückgeführt. Damit handelt man eher antizyklisch, da man gestiegene ETF verkauft und gefallene nachkauft.
  • Kaufen Sie keinen Sektor- oder Themen-ETF. Die Gefahr ist bei diesen Produkten besonders gross, prozyklisch Trends hinterher zu rennen.
  • Seien Sie bei Smart-Beta-ETF höchst vorsichtig. Die meisten halten in der Praxis nicht, was der Backtest der Strategie verspricht. Achten Sie bei der Selektion auf einen guten, mehrjährigen Performanceausweis in der Realität statt nur im Backtesting.
  • Vorsicht ist angebracht bei illiquiden ETF: Diese werden mit Blick auf die tiefen Gebühren im ETF angepriesen, gleichzeitig aber werden Ihnen im Handel über die Geld-Brief-Spanne oft relativ hohe Summen abgeknöpft. Wer sich an sehr liquide ETF grosser Anbieter hält, kann diese Gefahr umgehen.
  • ETF sind primär Werkzeuge zur einfachen Nachbildung einer Indexstrategie. Bei Indexprodukten ist «Buy&Hold» eine gute Strategie – im Gegensatz zur Selektion von Einzelaktien oder Themen-ETF (vgl. Quantex Werte vom Juni 2017). Ein bis drei ETF als gebührengünstige Kernanlagen reichen da völlig aus. All die anderen glänzenden Werkzeuge in der Auslage sollten ignoriert werden, weil mit ihnen nur die Gefahr der Selbstverstümmelung wächst. 

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