24.08.2016

Privilegien für Renter zulasten der Jungen

Ein brisantes Thema, das viel Diskussionsstoff liefert. Einziger Punkt, bei dem sich wohl alle einig sind: Es muss etwas getan werden.

Peter Zeier

vonPeter Zeier

Geschäftsleitung

Verfolgen wir die im Artikel gemachte Aussage "hinten rechts denken (via Portemonnaie)" in einem positiven Kontext, so kommen wir automatisch wieder auf die Selbstverantwortung der jüngeren Erwerbstätigen für ihre finanzielle Unabhängigkeit, auch bei der Altersvorsorge. Aus unserer Sicht bedeutet dies: Frühzeitig und regelmässig etwas in Aktien investieren.

Hier der Artikel aus der NZZ:

AHV und Pensionskassen bringen den Älteren hohe Subventionen auf Kosten der Jüngeren. Die AHV-Initiative würde diese Ungerechtigkeit noch deutlich verstärken.

Angriff ist die beste Verteidigung. Das sagen sich die Gewerkschaften mit ihrer Initiative «AHV plus». Die AHV muss angesichts der Alterung der Bevölkerung mit massiven Finanzlöchern rechnen. Doch die Initianten fordern dreist einen weiteren Ausbau (Erhöhung aller Renten um 10%), wohl in der Hoffnung, so die derzeit diskutierte Anpassung an die demografische Realität zu bremsen.

1994 gab es etwa 4,4 Erwerbstätige (20- bis 64-Jährige) pro Rentner (über 64-Jährige). 2035 werden es laut dem Hauptszenario der Bundesstatistiker noch 2,3 Erwerbstätige pro Rentner sein. 1981 lag die durchschnittliche Restlebenserwartung der 65-Jährigen bei gut 14 Jahren (Männer) bzw. 18 Jahren (Frauen). 2015 lag diese Lebenserwartung bereits um 4 bzw. 5 Jahre höher – was bei gleichbleibender Jahresrente eine Erhöhung der gesamten Rentenleistung um etwa einen Viertel bedeutet. Die Lebenserwartung dürfte noch weiter steigen. Jedes Jahr ohne Erhöhung des Normrentenalters oder Senkung der Jahresrente bedeutet somit einen weiteren Rentenausbau zulasten der Jüngeren und Ungeborenen.

Ein Loch von 1000 Milliarden

Die Lasten sind hoch. Die AHV ist ein Pyramidensystem: Die Späteren zahlen für die Früheren. Dies funktionierte so lange gut, wie sich das zahlenmässige Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern nicht stark verschlechterte. Das Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg i. Br. und die UBS haben Berechnungen vorgelegt. Demnach beläuft sich mit den geltenden Leistungsversprechen der AHV das Ausmass der ungedeckten Checks zulasten der kommenden Generationen auf etwa 1000 Mrd. Fr.

Die im Parlament diskutierten Reformvorschläge würden dieses Finanzloch zwar auf etwa die Hälfte bis zwei Drittel verkleinern, doch auch die Reformvorschläge gehen grossenteils zulasten der Jüngeren. Mit der Reformvariante des Bundesrats müsste laut den Berechnungen jeder Ungeborene immer noch eine Hypothek von kaufkraftbereinigt etwa 80 000 Fr. schultern. Mit der Variante des Ständerats wären es gar etwa 100 000 Fr. Aus Sicht der Politiker ist dies allerdings rational, denn die Hälfte der Wähler ist 54-jährig oder älter, die Jüngeren machen sich noch relativ wenig Gedanken zur Altersvorsorge, und die Kinder und Ungeborenen haben an der Urne noch keine Stimme.

Eine Annahme der AHV-Initiative würde die Generationenungerechtigkeit noch deutlich verschärfen. Die Ausgaben der AHV würden laut Botschaft des Bundesrats ab 2018 um jährlich 4 bis 5 Mrd. Fr. wachsen – was etwa 1000 Fr. pro Erwerbstätigen und Jahr ausmacht. Netto wäre die Zusatzbelastung für die AHV bzw. den Staat wegen der Reduktion der Ergänzungsleistungen um 300 bis 400 Mio. Fr. pro Jahr tiefer.

Auch in der zweiten Säule müssen die Jüngeren Privilegien von Älteren bezahlen. Auch dort sind die Renten derzeit (und schon seit längerem) gemessen an der Lebens- und Renditeerwartung viel zu hoch. Laut einer Analyse der Beratungsfirma Towers Watson im Auftrag des Bundes bei 27 Vorsorgeeinrichtungen für 2009 bis 2013 waren Leistungen für Neurentner gemessen an deren Alterskapital typischerweise (Medianwert) um etwa 12% zu hoch. In der laufenden Reform will der Bundesrat zwar den minimalen Umwandlungssatz auf dem obligatorischen Kapital von derzeit 6,8% (mit welchem pro 100 000 Fr. Alterskapital 6800 Fr. Jahresrente fliessen) schrittweise auf 6% senken, doch ist das gemessen an Rendite- und Lebenserwartung immer noch zu hoch. Die vom Bund selbst bestellte Analyse deutet darauf, dass der Bundesrat zu optimistische Kapitalrenditen unterstellt. Umverteilung passiert auch durch jährliche Verzinsung: Die Verzinsung des Alterskapitals der Erwerbstätigen lag jüngst deutlich unter der Verzinsung des Alterskapitals der Rentner. 2015 betrug die geschätzte Differenz rund 0,8 Prozentpunkte.

Was zu tun wäre

Es gäbe verschiedene Wege, die Deckungslücken zu stopfen. Doch je «besser» ein Weg aus Sicht der Generationengerechtigkeit ist, desto schwieriger ist er politisch zu gehen: Am «gerechtesten», aber politisch am heikelsten wäre ein nominales Einfrieren der laufenden Renten, weil damit auch die Rentner einen Beitrag leisten müssten. Politisch fast so heikel, aber ein grosser Schritt in Richtung Generationengerechtigkeit wäre die Erhöhung des Normrentenalters; dies würde zwar die jetzigen Rentner verschonen, aber immerhin die Babyboomer erfassen und damit die Altersvorsorge deutlich entlasten. Sozial- und wirtschaftspolitisch wäre dies mit Abstand der beste Lösungsbeitrag. Weit weniger «gerecht» wäre eine Zusatzfinanzierung via Steuern, denn den Grossteil der Rechnung würden dann die Jüngeren und Ungeborenen zahlen; je älter eine Person ist, desto weniger lang zahlt sie noch Steuern. Speziell «ungerecht» wäre die Erhöhung der Lohnabzüge: Dann zahlt nur die Erwerbsbevölkerung, die Jüngeren zahlen besonders lange, und die Rentner zahlen gar nichts. Auch wirtschaftspolitisch sind höhere Lohnabzüge und Steuern die schlechtesten Varianten, weil sie Wachstum und Beschäftigung drosseln.

Worum es wirklich geht

Es erstaunt, dass sich ausgerechnet die Linke, die in der Umweltpolitik doch so gerne von Nachhaltigkeit redet, gegen eine nachhaltige Altersvorsorge stemmt. In der Tat ist es kein speziell linkes Anliegen, die Jüngeren mit massiven Hypotheken zu belasten. Doch die Linke nimmt dies bewusst in Kauf, um ihr Kernziel zu verfolgen: die Umverteilung von oben nach unten. Denn Ausbau der AHV heisst nicht nur Ausbau der Umverteilung von Jung zu Alt, sondern auch von oben nach unten.

Die AHV ist zu rund einem Viertel durch Steuern finanziert. Hinzu kommen die AHV-Beiträge der Gutverdienenden, die ab einem Jahreseinkommen von derzeit 84 600 Fr. keine Erhöhung der Rente mehr bringen. Laut Berechnung des Bundesamts für Sozialversicherungen sind 92% der AHV-Beitragszahler subventioniert. Im Durchschnitt sind die Renten dieser Gruppe nur zu zwei Dritteln selbstfinanziert.

Auch bei den Pensionskassen gibt es Umverteilung von oben nach unten, da die meisten Kassen den künstlich überhöhten Umwandlungssatz auf dem obligatorischen Alterskapital durch massiv tiefere Sätze im überobligatorischen Teil kompensieren müssen.

Das Volk hat bisher die massiven Umverteilungen in der Altersvorsorge gedeckt – nicht weil es mehrheitlich «links» denkt, sondern weil es «hinten rechts» denkt (via Portemonnaie). Viele Stimmbürger waren bisher schlicht nicht bereit, auf eigene Privilegien zu verzichten, um die Hypotheken der jüngeren Generationen zu verkleinern. So ist das Leben.


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