24.10.2022

Langweilig lohnt sich mehr

Anleger mögen Investments, die Spannung und schnelle Gewinne versprechen. Weil sie dafür systematisch zu viel bezahlen, sind langweilige und weniger riskante Investments auf lange Sicht lohnender – ganz entgegen der gängigen Finanzmarkttheorie. In Marktphasen wie jetzt sind wir deshalb bekennende Langweiler.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Was war es für eine spannende Zeit an den Aktienmärkten: Bahnbrechende Zukunftstechnologien, welche die Welt verändern. Neue Firmen, welche den Markt aufrollen. Und Aktienkurse, die sich alle paar Wochen verdoppeln. Der Reiz des schnellen Reichtums mit Wachstumsaktien und Neuemissionen zog Scharen von Anlegern in seinen Bann – ob im wilden Corona-Boom von 2020, in der Internet-Blase von 1999 oder dem Radio-Boom von 1929.

Die blinde Masseneuphorie endete auch dieses Mal in brutaler Ernüchterung. Als das Symbol für den Corona-Boom dient die Kursentwicklung des Ark Innovation ETF von Cathie Wood, die zwischenzeitlich 28 Milliarden verwaltete und mit ihrer religiösen Zukunftsgläubigkeit Kultstatus erlangte: Nach +153% im Jahr 2020 folgte ein Absturz von bis dato 71%. Der durchschnittliche Anleger ist gemäss den Fondszuflüssen mit einem Preis von rund 90 Dollar eingestiegen. Heute notiert der Ark Innovation ETF bei 36.38 Dollar. Diese Enttäuschung der Anlegerhoffnungen hat System.

Zahlreiche Studien wie etwa die von Jay Ritter zeigen, dass Neuemissionen und spekulative, stark schwankende Aktien auf lange Sicht schlechtere Investments sind als der Marktdurchschnitt. Diese empirisch gut belegte Tatsache widerspricht der gängigen Finanzmarktlehre, nach der riskantere Aktien mit höherer Schwankungsbreite als der Markt – im Finanzjargon liegt ihr Beta über 1 – mehr Rendite abwerfen müssten (siehe Grafik unten). Schliesslich sollten die Anleger doch für das höhere Risiko entschädigt werden wollen.


Die Grafik zeigt die durchschnittliche Mehrrendite von Aktien gegenüber Cash (Mean Return) in Abhängigkeit von ihrem Beta zum Aktienmarkt von 1931 bis 2020. Die roten Punkte zeigen die effektiven geometrischen Durchschnittsrenditen. Aktien mit hohem Beta-Risiko haben die schlechtesten Renditen. Dies widerspricht dem theoretischem Modell (CAPM) der ansteigenden Linie. (Quelle: AQR/Antti Ilmanen: «Investing amid low expected returns»)

Selbst wenn man die grundsätzlich berechtigte Frage weglässt, ob die Kursschwankungen gemessen mit dem Beta wirklich das Risiko eines Investments darstellen, bleibt der Effekt auch bei einem Fokus auf die reinen Fundamentaldaten eines Unternehmens bestehen. Eine Studie von Asness-Frazzini-Pedersen (2019) zeigt auch eine langfristige Outperformance von qualitativ guten Aktien gemessen an Profitabilität oder Stabilität der Unternehmen gegenüber einem Portfolio von «Schrott-Aktien».

Womit lassen sich die masochistischen Vorlieben der Anleger für hochriskante Aktien erklären? Gemäss der Theorie der rationalen Märkte müssten diese unvernünftigen Performanceunterschiede wegrationalisiert werden beziehungsweise die spekulationswütigen Anleger alle finanziell «wegsterben».

Der Reiz des Haupttreffers im Börsen-Lotto

Doch auch andere irrationale Wetten wie Lotterien erfreuen sich seit Jahrhunderten grosser Beliebtheit. Bei einer klassischen staatlichen Lotterie werden nur 50% aller Einsätze als Gewinn ausgezahlt. Oft müssen die glücklichen Gewinner darauf dann noch Steuern zahlen. Rein vom statistischen Erwartungswert sind Lotterien so ziemlich das dümmste denkbare Investment. Und doch lockt der Reiz, über Nacht reich werden zu können, viele Menschen an. Ähnlich unwiderstehlich ist offensichtlich der Reiz, mit dubiosen Kryptowährungen, einem heissen Fonds wie dem Ark Innovation ETF oder «der nächsten Tesla Aktie» den Hauptgewinn im Börsen-Lotto zu ziehen.

Psychologische Faktoren wie die Selbstüberschätzung, zu den wenigen glücklichen Gewinnern zu gehören, spielen offensichtlich eine grosse Rolle. Andere Erklärungsmodelle verweisen auf die Restriktionen beim Leverage für gängige Fonds oder Pensionskassen. Auch Institutionelle Investoren verfallen demnach dem Reiz hochspekulativer Aktien und IPOs, weil sie hoffen, damit mit kleinem Einsatz auf die Schnelle etwas Outperformance zum Markt erzielen zu können.

Unser Motto: "Winning by not Losing"

Auf lange Sicht verhält es sich aber wie gezeigt genau umgekehrt so, dass der Verzicht auf spekulative Investments und schlechte Aussenseiter-Wetten die guten Renditen bringt.

Darauf basiert auch unser Quantex-Motto des «Winning by not Losing»: Wir suchen nicht die Haupttreffer und Superaktien im Börsenspiel, sondern sind mit etwas weniger Spannung zufrieden, wenn wir dafür im Mittel höhere Renditen bekommen. Das zugehörige Image als Langweiler und Liebhaber von ewig gestrigen Branchen nehmen wir gerne auf uns.

In Marktphasen wie jetzt, irgendwo zwischen Nervosität und Angst, wo moderate Bewertungsunterschiede am Markt uns nicht für das Eingehen von zyklischen Risiken belohnen, setzen wir verstärkt auf qualitativ gute Unternehmen mit stetigen Free Cash-flows nach dem Vorbild von Warren Buffett (siehe Grafik).

Gemäss einer neuen Faktoranalyse von Brooks-Tsuji-Villalon (2018) hat Buffett seine langfristige Outperformance tatsächlich primär dem Qualitäts-Faktor seiner Aktien-Auswahl zu verdanken und nicht etwa dem Value-Faktor.

Mit unseren diesjährigen Aktienkäufen wie Visa, Mastercard, Anheuser-Busch, Roche oder Inditex gewinnen wir sicher keine Preise für Originalität. Doch das Portfolio gewinnt mit diesen langweiligen, aber stetigen Aktien an Qualität und Stabilität. Dies ermöglicht es uns auch, die wahrscheinlich noch deutlich schlimmer werdenden Börsenstürme durchzuhalten und aus der Deckung zu kommen, wenn wirklich nur noch die nackte Angst regiert und extrem niedrige Preise uns auch für das Kaufen von zyklischeren «Schrott-Aktien» entschädigen.

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