08.01.2016

Es ist Zeit für ein Value-Comeback

Der Value-Stil bleibt seit längerer Zeit hinter glamourösen Wachstumsaktien zurück. Doch damit ist der Bogen für eine starke Gegenbewegung gespannt.

Livio Arpagaus

vonLivio Arpagaus

Aktienanalyse

Aus heutiger Sicht ist es sehr einfach, Value abzuschreiben und nur noch auf Growth zu setzten. Der Markt scheint genau dies zu tun: Die sogenannten FANG-Aktien (Facebook, Amazon, Netflix und Google) sind die Darlings der Stunde und erzielen regelmässig neue Höchststände. Im Schnitt sind sie 2015 um satte 83% gestiegen. Die breiten Börsenbarometer hatten im vergangenen Jahr dagegen Mühe, noch voran zu kommen oder lagen sogar leicht im Minus.

Value-Investoren gehen von der Strategie aus, günstige Aktien mit entsprechend tiefen Erwartungen zu kaufen und darauf zu warten, bis der Markt diese Lücke zwischen dem fairen Wert und dem Börsenkurs schliesst. Anzeichen für eine günstige Aktie sind zum Beispiel ein tiefes Kurs/Gewinn-Verhältnis oder eine hohe Free-Cashflow-Rendite zum Unternehmenswert EV.

Empirisch ist nachgewiesen, dass dadurch längerfristig eine Überrendite gegenüber dem Markt generiert werden kann. Entsprechend ist Value auf lange Sicht auch besser als eine Growth-Strategie, welche schnellwachsende oder eben teure Unternehmen kauft. Die Grafik auf der nächsten Seite zeigt diese langfristige Überrendite von Value (grün) zu Growth (weiss) seit 1975 sehr schön.


MSCI Value Index vs. MSCI Growth Index 1975-2015 (Quelle: Bloomberg)

Doch es stellt sich die Frage: Warum investieren dann nicht alle mit dem Value Stil? Dafür sind zwei Umstände verantwortlich: Erstens ist Value meist in unpopulären Unternehmen, Regionen und Industrien zu finden und zweitens liefert Value nicht jedes Jahr eine Outperformance. Die Überrendite, welche eine Value-Strategie generiert, ist nicht stetig, sondern tritt in Zyklen auf. Dazwischen kann Value sehr wohl auch underperformen. In einer solchen Phase sind wir seit längerer Zeit.

Das seltenste Gut in der Finanzindustrie

Ein Anleger muss geduldig sein, um die Früchte des Value Stils ernten zu können. Nur ist Geduld wahrscheinlich das seltenste Gut in der Finanzindustrie. Institutionelle Anleger wie Bankberater und Fondsmanager setzten sich einem Karriererisiko aus, wenn sie geduldig sind, da ihre Performance auf monatlicher oder sogar kürzerer Basis kontrolliert wird. Eine Phase der Underperformance führt zudem zu Mittelabflüssen. Eine Exposition zugunsten einer Anlagestrategie, welche lange Zyklen der Underperformance aufweist, aber letztlich eine Überrendite generiert, liegt einfach nicht drin. Deshalb isst man lieber den Einheitsbrei. Dieser schmeckt zwar nicht besonders gut, dafür darf man aber seinen Job behalten.

Privatanleger haben hierbei einen klaren Vorteil gegenüber den grossen Institutionen, nur leider machen oft psychologische Barrieren vielen einen Strich durch die Rechnung. Leute wollen Action und rennen deshalb immer den populären Trends hinterher. Wer will schon in Aktien langweiliger Massagesesselhersteller aus Singapur oder in „gefährliche“ zypriotische Bankaktien investieren, wenn es doch heisse Wachstumsstories wie Netflix und Amazon gibt?

Wie viel Gedult braucht es?

Derzeit sind wir in einer langen Phase der Value-Underperformance – und zwar seit neun Jahren. Die untenstehende Grafik zeigt, dass der MSCI-Value-Index seit dem Ausbruch der Finanzkrise gegenüber dem Growth-Index stark underperformt hat. Die Masszahlen dafür sind Kurs/Buchwert, Kurs/Gewinn und die Dividendenrendite.


Value vs. Growth 2007-2015 (Quelle: Bloomberg)

Eine solch lange Phase der Value-Underperformance ist sehr untypisch. Normalerweise dauert diese zwischen drei und fünf Jahren. Danach findet eine Gegenbewegung statt und Value erzielt wieder eine Überrendite.


Anzahl Monate der Value-Underperformance (Quelle: Fama&French, KCM)

Der Zeitpunkt der Lancierung des Quantex Global Value Funds im Juli 2008 war also aus dieser Sicht unglücklich. Durch geschickte Aktienselektion konnte sich der Fonds aber der allgemeinen Value-Underperformance entziehen und seit Bestehen sogar eine deutliche Überrendite gegenüber dem MSCI World generieren. Doch seit zwei Jahren bleiben wir auch etwas hinter dem Benchmark zurück.

Ist diesmal alles anders?

Value wurde schon oft für tot erklärt. Und es geschieht meist genau dann, wenn die Strategie wieder zu funktionieren beginnt. Das perfekte Beispiel hierfür war die Phase Ende der 1990er Jahre. Damals wurde sogar Warren Buffett als veraltet bezeichnet, weil er die „neue Technologieära“ nicht verstand. Es folgte von 2000 bis 2003 eine der besten Phasen für Value überhaupt.

Viele prominente Value-Manager haben seit Jahren zu kämpfen und 2015 erwischte es auch die erfolgreichsten Investoren: Seth Klarman von Baupost, David Einhorn von Greenlight Capital, Bill Ackman von Pershing Square, Mason Hawkins von Longleaf Partners oder der Sequoia Fund hatten alle eines ihrer schlechtesten Jahre.

In einer solchen Phase ist es psychologisch extrem schwierig, dem Value-Ansatz treu zu bleiben. Wer will nicht dort spielen, wo die Action ist? Wir müssen uns einfach vor Augen halten, dass genau nach diesen Zeiten, wo die Geduld bis zum Bersten strapaziert wird, die grössten Belohnungen warten. Der Bogen ist gespannt, und früher oder später wird die Gegenbewegung einsetzten. Wir werden geduldig sein und unserem Stil treu bleiben.


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