14.12.2016

Der Start zur Grossen Rotation

Seit Jahren fliesst Geld aus Aktienfonds ab und strömt dafür in Obligationen-Fonds mit immer tieferen Renditen. Der Trump-Schock hat nun den Startschuss zur Grossen Rotation aus festverzinslichen Anlagen in Aktien gegeben. Der Trend kann sich beschleunigen, je mehr die wahren Risiken von Obligationen offenbar werden.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Für die vermeintlich sicherste Anlageklasse ist ein Verlust von 4% in einem Monat ein Blutbad: Der Rückgang des globalen Anleihen-Index von Bloomberg-Barclays im November war der stärkste Monatsverlust seit Berechnung des Index im Jahr 1990. Rund 1700 Milliarden Dollar an Buchwerten wurden durch den Bond-Crash ausgelöscht.

Die durchschnittlichen Zinsen stiegen vom Rekordtief am 5. Juli bei 1.07% auf aktuell 1.61%. Hinter dem Zinsanstieg stehen die Erwartungen auf mehr Wachstum und mehr Inflation durch die propagierten Steuersenkungen und Infrastrukturausgaben der Trump-Administration. Oder einfach die zu extreme Positionierung vieler Marktteilnehmer, die nach Jahren mit sinkenden Zinsen sogar auf eine Fortsetzung des Trends immer weiter in den negativen Bereich wetteten.

Das Zinstief im Sommer 2016 nach dem Brexit-Entscheid wurde von der gleichen verqueren Logik einer Spekulationsblase getragen wie im Frühjahr 2000 das Top an den Aktienmärkten. Damals, auf dem Höhepunkt der Internet-Euphorie, wurden die hoch bewerteten Aktien längst nicht mehr wegen ihrer lächerlich tiefen Gewinn- und Dividendenrenditen gekauft, sondern nur noch, weil bis in alle Ewigkeit auf weitere Kursgewinne spekuliert wurde. Bei den Anleihen war es vergangenen Sommer genau gleich: Die Renditen war lächerlich tief und bei einem grossen Teil des Bondmarkts sogar negativ. Doch die Papiere wurden gekauft, weil auf noch weiter fallende Zinsen und damit mehr Kursgewinne gesetzt wurde.

Ein zentrales Paradoxon der Finanzmärkte ist jedoch, dass Anlagen, die gemeinhin als „sichere Sache“ gelten, es nicht sein können. Denn die Preise dafür, in diesem Fall der Obligationen, werden auf ein Niveau hinaufgezahlt, wo sie nicht mehr von ihrer laufenden Rendite getragen werden, sondern nur noch von der heissen Luft der Erwartungen aller anderen Spekulanten. Deshalb ist der aktuelle Bond-Crash sicher keine Überraschung und der mögliche Fall nach unten noch weit.

Auf der anderen Seite sind Anlagen, die gemeinhin als unsicher und riskant gelten, es oft gar nicht mehr. Aktien sind seit Jahren unbeliebt. Obwohl ihre Gewinn- und Dividendenrenditen relativ wie absolut attraktiv sind und obwohl die Kurse seit der Finanzmarktkrise von 2008/09 tendenziell steigen, zeigen die Investoren der Anlageklasse die kalte Schulter (siehe Grafik unten).


Kumulierte Netto-Geldflüsse in Milliarden Dollar in Fonds und ETF für Obligationen (bond) und Aktien (equity) seit 2007. (Quelle: SocGen)

Dieser grosse Trend hat sich nach der überraschenden Trump-Wahl umgekehrt: Geld fliesst aus Anleihen-Vehikeln raus und wieder in Aktienprodukte. Doch handelt es sich dabei um eine wirkliche grosse Wende oder nur um eine vorübergehende Episode wie während des „Taper Tantrums“ im Jahr 2013, als der Zinsmarkt auf eine Rede des damaligen Notenbank-Chefs Bernanke mit einem Trotzanfall reagierte?

Die Frage wird sich leider erst in ein paar Jahren abschliessend beantworten lassen. Klar ist jedoch, dass das Ungleichgewicht zwischen Obligationen und Aktien in Bezug auf die jeweilige Popularität und Renditen ein extremes Ausmass angenommen hat. Chancen und Risiken sind entsprechend asymmetrisch verteilt.

Grössere Risiken lauern am Obligationenmarkt

Grosse Risiken unserer Zeit, wie der Zusammenhang zwischen hohen Staatsverschuldungen, demographischer Überalterung und potenziell bankrotten Rentensystemen, betreffen aus unserer Optik auf die lange Sicht nämlich vorwiegend den Obligationenmarkt, nicht die Aktien. Nur schon 2-3% mehr Inflation, wie es von den meisten Zentralbanken zur Lösung dieser Probleme mehr oder weniger offen angestrebt wird, wären für die heute praktisch zu Null verzinsten Anleihen eine Katastrophe. Viele Anleger in „sicheren“ Obligationenfonds dürften bei zweistelligen Kursverlusten den Schock ihres Lebens erleben.

Für die Aktienmärkte wäre dies jedoch noch gar kein Problem. Im Gegenteil, 2-3% mehr nominelles Gewinnwachstum könnte sich für viele Unternehmen sogar als Segen herausstellen. Es stimmt zwar, dass mehr Inflation und höhere Zinsen sich ab einer gewissen Höhe auch negativ auf die Aktienpreise auswirken. Die historische Erfahrung zeigt jedoch, dass der Zusammenhang zwischen Zinsen und Aktienbewertungen gemessen am Kurs/Gewinnverhältnis keineswegs so linear ist, wie gemeinhin angenommen.


Der Zusammenhang seit 1975 zwischen Aktienbewertungen (NTM P/E) und US-Zinsen (10 Year Treasury Yield) ist nicht linear, sondern macht bei 5% Zinsen eine Spitze. (Quelle: RBC)

Gemäss der obigen Grafik wären steigende Zinsen bis etwa 5% für zehnjährige US-Treasuries für die Aktienbewertungen sogar tendenziell positiv. Der Markt kommt quasi weg von Nullwachstum und Deflationspanik und findet neuen Optimismus. Erst über der Marke von 5% drücken dann höhere Inflationsraten und Diskontierungssätze auf die Aktienpreise.

Sollten Staatsverschuldungen und Inflation sogar völlig aus dem Ruder laufen, werden die Risiken noch asymmetrischer zu Ungunsten von Obligationen. Festverzinslichen Papieren mit langer Laufzeit würde fast schon der Totalverlust drohen. Aktien dagegen behalten erfahrungsgemäss selbst in Hochinflationsphasen zumindest einen Teil ihres realen Werts. Vermutlich wäre in einem solchen Extremszenario allerdings Gold die beste Anlageklasse.

Je mehr die Anleger die grossen Risiken von tief verzinsten Anleihen erkennen und die Chancen bei den Aktien sehen, desto mehr könnte die viel zitierte Grosse Rotation aus Obligationen in Aktien an Momentum gewinnen. Irgendwann wird der Prozess dann praktisch selbstverstärkend bis hin zu einer neuen Blasenbildung bei Aktien. Doch bis dahin ist der Weg noch weit. Ein Ende der Geldabflüsse aus Aktienprodukten wäre der erste Schritt.

Value-Aktien sind die Gewinner der Zinswende

Die mögliche Zinswende diesen Sommer hat allerdings nicht nur grosse Auswirkungen auf die Anlageklassen, sondern auch auf die Titel innerhalb einer Klasse. Seit dem Trump-Schock hat eine erhebliche Sektor-Rotation am Aktienmarkt begonnen. Die Gewinner sind generell zinssensitive Titel wie die Banken oder eher zyklische Marktsegmente aus den Bereichen Industrie, Infrastruktur und Rohstoffen. All diese Aktiensektoren waren in den Jahren von Deflation und Stagnation eher günstig geworden und deshalb zu Value-Aktien mutiert. Nun gehören sie zu den grossen Gewinnern der Umwälzung, während eher defensive und stabile Titel zu den Verlierern gehören.

Value-Aktien sind eigentlich seit der Finanzkrise 2008 hinter Wachstums-Titeln zurück geblieben. Dies ist historisch gesehen die längste bekannte Phase der Underperformance des Value-Stils (vgl. Quantex-Werte vom Januar 2016).

Schon im Januar/Februar hat dies gedreht (vgl. Grafik unten), als die Märkte kurzzeitig eine Rezession einzupreisen begannen, die dann doch nicht stattfand. Seither sind Value-Aktien besser als Wachstumstitel. Die Trendwende wurde mit der Wahl von Donald Trump nochmals verstärkt.

growthvsvalue
Seit der Januar-Börsenkorrektur sind Value-Aktien im S&P-500-Index gegenüber Wachstumsaktien am outperformen. Seit der Trump-Wahl am 8. November hat sich die Outperformance akzentuiert. (Quelle: http://disciplinedinvesting.blogspot.ch)

Es scheint also ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Outperformance von Value und steigenden Zinsen zu bestehen. Dies ist eine äusserst nützliche Erkenntnis für die Portfolio-Konstruktion: Ein Engagement in Value-Aktien und entsprechenden Fonds wie unserem Quantex Global Value bietet somit eine Möglichkeit zur direkten Kompensation des Risikos weiter steigender Zinsen. Und falls die Zinswende und die Grosse Rotation in Aktien doch noch einmal verschoben werden, dürfte sich der Schaden in Grenzen halten. Schliesslich sind die Erwartungen an Aktien und Value-Aktien im Besonderen seit geraumer Zeit sehr tief.


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