21.11.2017

Zeit zum Regenschirme kaufen

Mit dem November kommen Kälte und Winterstürme näher. Nur an den Finanzmärkten herrscht immer noch eitel Sonnenschein. Schutz gegen Börsenstürme kauft der Anleger aber am besten jetzt bei schönem Wetter und nicht erst, wenn es schüttet. Gold ist ein Regenschirm, der in Zeiten von Bitcoin zu sehr aus der Mode geraten ist.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Der Goldpreis erreichte seinen bisherigen Höchststand von 1900 Dollar je Unze am 5. September 2011: just an dem Tag, an dem Google auch die meisten Suchanfragen nach dem Eurorettungsfonds EFSF verzeichnete. Die Angst vor einem Kollaps der Eurozone und ihres Bankensystems machte die Runde. Trotz einiger weiterer kleinerer Gewitter in der Folge ist diese Angst nun völlig verflogen. Entsprechend kam Gold aus der Mode. Derzeit kaufen die Anleger so wenig Goldmünzen wie letztmals 2007 vor der grossen Finanzkrise. Wer braucht schon einen Regenschirm, wenn die Sonne scheint?

Auch die Ängste vor einer möglichen Hochinflation, welche durch die extremen Gelddruck-Massnahmen der Zentralbanken entstehen könnte, sind heute anders als 2011 kaum noch präsent. Trotz boomender Weltwirtschaft und generell wieder tiefer Arbeitslosigkeit gilt die Inflation als erledigt – oder höchstens als Problem von übermorgen. Anders können die immer noch extrem tiefen Zinsen auf langlaufenden Anleihen nicht erklärt werden.

Konsumentenvertrauen und die Einkaufsmanager-Indizes der Industrie zeigen derzeit Spitzenwerte an. Die Stimmung ist gut. Natürlich auch an den Finanzmärkten. Aktienindizes erreichen neue Höchststände und am Anleihenmarkt zeichnet sich ein weiteres Rekordemissionsjahr ab. Was könnte da je die Partylaune trüben?

Fern am Horizont zeichnen sich zwar längst ein paar mögliche Gewitterstürme ab: Riesige Schuldenstände von amerikanischen Unternehmen zum Beispiel (vgl. News #19 – Das Remake der Schuldenkrise, 11.05.2017), Immobilienblasen in «sicheren Häfen», welche gut durch die Finanzkrise kamen wie die Schweiz, Kanada, Australien oder die skandinavischen Staaten. Oder neue Exzesse in Randbereichen des Anleihenmarkts wie bei Leveraged Loans, wo inzwischen 70% der Darlehen «covenant-lite» sind, also ohne grosse Einschränkungen zu Gunsten der Kreditgeber. 2007 vor der Finanzkrise waren nur 30% der Leveraged Loans «covenant-lite». Nicht zuletzt bleibt auch die gewaltige Kreditblase, welche sich in China über die letzten Jahre aufgetürmt hat, ein substanzielles Risiko.

Alles ist auf Sonnenschein gepreist

Doch das alles kümmert jetzt niemanden mehr. Die historische Erfahrung zeigt, dass solche Boomphasen voller Sorglosigkeit leider meistens nicht lange anhalten. Am längsten und besten sind die Bullenmärkte in der Phase, wo sich alle noch Sorgen machen – wie in den letzten Jahren um Inflation und Eurokrise – und die Aktien trotzdem steigen. Jetzt gibt es nicht mehr viel zu gewinnen, da fast alle Anlageklassen auf ewigen Sonnenschein gepreist sind. Der nächste Schock für die Finanzmärkte wird zwangsläufig umso heftiger ausfallen. Leider haben wir keine Ahnung, wann und woher genau der Schock kommen wird. Aber wir wissen aus Erfahrung, dass er kommt. Entsprechend lohnt es sich, beim Anlegen generell Risiko rauszunehmen und sich nach möglichen Schutzmitteln gegen Turbulenzen umzusehen.

Der erste Schritt besteht darin, die Anlagen im Portfolio bottom-up auf Krisenfestigkeit zu überprüfen. Eine gesunde Bilanz und möglichst stabile Free Cashflows sind hier das A und O – ob bei Aktien oder Anleihen. Jetzt ist nicht die Zeit, um mutig zu sein und sich nach Risiken zu strecken, obwohl die gute Stimmung natürlich genau dazu verleitet.

Der nächste Schritt steht auf der Portfolio-Ebene an: Welche Anlageklassen reduzieren das Risiko eines grösseren Wertverlusts am besten? In den letzten zwei Jahrzehnten wirkte hier die simple Kombination von Aktien und Obligationen Wunder: Wenn die Aktienmärkte abstürzten, fielen die Zinsen und es stieg der Wert der Anleihen (vgl. Grafik).

 US Stock-Bond Correlations

Die Korrelation zwischen dem Aktienmarkt und den Zinsen 10jähriger US-Anleihen war in den letzten Jahren positiv, seit 1900 aber mehrheitlich negativ. (Quelle: RBA)

 

 Inzwischen verlassen sich aber zu viele Strategien auf diese positive Korrelation von Zinsen und Aktien oder haben sie mit «Risk-Parity-Strategien» sogar noch gehebelt. Auf die lange Sicht seit dem Jahr 1900 ist es nämlich keineswegs so, dass immer eine solche Korrelation von Aktien und Obligationen besteht. Über lange historische Zeiträume waren die beiden auch stark negativ korreliert, wie zum Beispiel während der 1970er Jahre, als die Zinsen durchs Band stiegen und die Aktienbewertungen fielen. Portfolios aus Aktien und Anleihen gingen damals synchron in die Knie.

Cash ist da die vernünftigere Alternative, um Risiko rauszunehmen. Flüssige Mittel mit variablen Zinsen zeichnen sich durch eine generell sehr tiefe Korrelation zu allen anderen Anlagen aus. Das beste Gegengewicht war seit 1970 allerdings das Gold: Keine andere Anlageklasse weist so viele negative Korrelationen zu allem anderen auf. Das bedeutet, dass der Goldpreis tendenziell steigt, wenn alles andere fällt.

Gold hat in den letzten Jahren einiges von seinem Glanz verloren – kein Wunder, wenn sein Preis stagniert, während alle anderen Anlageklassen zulegen. Doch das ist völlig normal für das gelbe Edelmetall (vgl. Grafik).

Rolling Correlation Between SP500 & GoldDie Grafik zeigt die rollende Korrelation zwischen dem S&P-500-Aktienindex und dem Goldpreis seit 1985. Die mehrheitlich leicht negative Korrelation bedeutet, dass Gold tendenziell steigt, wenn der Aktienmärkt fällt und umgekehrt. (Quelle: Zero Hedge)

 

Ausserdem ist mit Bitcoin und unzähligen anderen Kryptowährungen eine gefragte Alternative zum Horten von Geld ausserhalb des Bankensystems aufgetaucht – zumindest in den Augen vieler Marktteilnehmer. Bitcoin&Co sind nach unserer Ansicht jedoch keine Alternative zu Gold, da sie keinen intrinsischen Wert besitzen.

Preisanstieg von Bitcoin in US-DollarDer rasante Preisanstieg von Bitcoin in US-Dollar. (Quelle: Bloomberg)

 

Kryptowährungen sind mehr eine mögliche neue Form für dezentralisierte Zahlungssysteme anstatt ein Wertaufbewahrungsmittel. Die rasante Vermehrung durch Spin-offs und immer neue Kryptocoins zeigt zudem, dass das Angebot anders als bei Gold praktisch beliebig ausgeweitet werden kann. Das hochvolatile Preisverhalten spricht ebenfalls dafür, dass es sich bei Bitcoin um eine typische Spekulationsblase dank gut erzählter Story handelt anstatt um eine Alternativwährung. Vermutlich kommt die nächste Gold-Rally jedoch erst, wenn die Bitcoin-Blase geplatzt ist.

Eine weitere mögliche alternative Anlageklasse ist die Volatilität selbst, etwa mittels Futures auf den VIX-Index. Der VIX misst die implizite Volatilität von Optionskontrakten auf Aktien. Das bedeutet, er gibt an, wie sehr die Marktteilnehmer starke Kursschwankungen erwarten beziehungsweise ein Bedürfnis verspüren, sich dagegen zu versichern. Momentan notiert der VIX nahe bei Allzeit-Tiefstständen – alles eitel Sonnenschein.

Viele andere so genannt alternative Anlageklassen stellen jedoch in unseren Augen keine gute Versicherung dar. Private Equity etwa ist vor allem so beliebt geworden, weil diese nicht öffentlichen Vehikel wenig volatile Preise ausweisen. Für die meisten institutionellen Investoren sind ja Preisschwankungen gleich dem Risiko einer Anlage – je weniger man davon ausweist, desto besser, lautet die verquere Logik hinter dem Private-Equity-Boom. Die zu Grunde liegenden Anlagen sind jedoch ganz banale Aktien, Darlehen, Immobilien- und Infrastruktur-Investments – meist noch mit einem Kredithebel getätigt. Der Nutzen von Private Equity zur Portfolio-Diversifikation dürfte deshalb gerade in einem Szenario steigender Zinsen oder eines allgemeinen Crashs bei Null oder darunter liegen.

Fazit

Cash und Gold sind für uns momentan die einzig unkomplizierten Alternativen zum allgemeinen Schönwetter-Boom bei den Anlagepreisen. Was nicht bedeutet, dass man alles andere verkaufen soll. Aber ganz nach Oaktree-Gründer Howard Marks ist jetzt mehr Vorsicht angebracht, je weniger die anderen Marktteilnehmer davon walten lassen.


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