20.02.2017

Kein Job für Perfektionisten

Wie viel Aufwand lohnt sich bei der Wertpapieranalyse? Weniger ist oft mehr: Wer nach Sicherheit und Perfektion strebt, verpasst zwangsläufig die besten Gelegenheiten. Meist führt mehr Information nur zu mehr Selbstüberschätzung anstatt zu besseren Resultaten. Quantitative Value-Strategien ermöglichen den Fokus auf das Wesentliche.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Wer brav seine Hausaufgaben macht, wird an der Börse nicht belohnt. Sonst hätten die Fondshäuser mit den meisten Ressourcen, sprich am meisten Analysten, den besten Computern und dem besten Zugang zu den Unternehmensführern, auch die beste Performance. Das ist nachweislich nicht so.

Der hervorgehobene Fleiss ist dann auch meist mehr ein Marketinginstrument für den Verkauf eines Fonds, nach dem Motto: Wir sind seriös und geben uns redlich Mühe. Oder aber er dient in bürokratischer Manier der Arbeitsplatzsicherung innerhalb der Organisation: Ich habe brav meine Hausaufgaben gemacht, was kann ich für das schlechte Resultat?

Mehr Arbeitsinput führt nicht automatisch zu mehr Rendite – doch wie viel Arbeit lohnt sich überhaupt? Das andere Extrem ist rein passives Investieren mit Indexprodukten. Es ist aus dieser immer populäreren Perspektive den Aufwand nicht wert, zu versuchen den Markt zu schlagen.

Als Value-Investoren sind wir davon überzeugt, dass eine Outperformance mit aktivem, fundamental basiertem Investieren möglich ist – und konnten bis jetzt auch mit unseren Fonds den Praxisbeweis dafür erbringen. Doch wie viel Arbeit steckt dahinter? Schnell wird klar, dass mehr Aufwand bei der Recherche dem Gesetz des sinkenden Grenzertrags unterliegen muss.

Nach Meinung des langfristig sehr erfolgreichen Value-Investors Seth Klarman können 80% der wichtigsten Informationen mit den ersten 20% Zeitaufwand gewonnen werden – danach nehme der Grenzertrag weiterer Informationen rapide ab.

Dafür steigt tendenziell die Selbstüberschätzung. Dieser Effekt ist in der psychologischen Forschung gut dokumentiert. In einer Studie von Tsui, Klayman & Hastie (2008) erhielten Probanden zum Beispiel relevante Daten, um damit den Ausgang von amerikanischen Football-Spielen vorherzusagen. Wie die Grafik unten zeigt, waren ihre Prognosen damit durchaus überzufällig korrekt. Doch mehr Datenpunkte führten zu keinem statistisch signifikant besseren Resultat – nur zu mehr Selbstüberschätzung.


Die Grafik zeigt, wie mit zusätzlichen Informationen (Trials) die Genauigkeit der Prognosen (Accuracy) für College Football Spiele stagniert, während das Vertrauen in die eigene Schätzung steigt (Confidence). (Quelle: Tsai, Klayman & Hastie (2008))

An den Finanzmärkten verlieren die mühsam erworbenen Detailinformationen zudem schnell an Gültigkeit: Neue Konkurrenten treten auf, der Konjunkturzyklus dreht oder das regulatorische Umfeld ändert sich. Der Versuch, ein komplettes und zugleich aktuelles Gesamtbild an Informationen zu erhalten, ist deshalb ein letztlich aussichtloses Unterfangen.

Auch sind andere Marktteilnehmer ständig dabei, nach weiteren nützlichen Informationen zu suchen und diese fortlaufend in den Kurs einzupreisen. «Die meisten Investoren streben fruchtlos nach Sicherheit und Präzision und vermeiden Situationen, in denen Information nur schwierig zu erhalten sind», hält Klarman in seiner Value-Bibel «Margin of Safety» fest.

Die Suche nach Sicherheit führt dazu, dass viele Investoren zwangsläufig die besten Anlagechancen verpassen. Diese ergeben sich nämlich meistens in Zeiten grosser Unsicherheit. Die beste Gelegenheit zum Kauf von Aktien des letzten Jahrzehnts war genau im März 2009 auf dem Höhepunkt von Rezession und Finanzkrise.

Der Schlüssel zur Lösung des Problems sind die tiefen Preise, zu denen ein Anleger in der Krise Wertpapiere kaufen kann. Je attraktiver der Preis eines Titels ist, zum Beispiel in Form einer hohen Free-Cashflow-Rendite bei einer Aktie oder einer hohen Verfallsrendite bei einer Anleihe, desto weniger wichtig ist die Präzision bei den Zukunftsschätzungen.

Dieses zentrale Konzept des Value-Investing wird Sicherheitsmarge oder eben «Margin of Safety» genannt. Wer billig genug kauft, schützt sich gegen viele Unvorhersehbarkeiten und Prognosefehler. Umgekehrt ist es bei teuren Papieren umso wichtiger, dass die Zukunft sich genauso ereignet, wie sich der Markt das vorgestellt hat. Der Kauf von teuren Aktien erfordert folglich mehr Präzision und Perfektion bei den Prognosen als ein Investment in günstige Titel.

Gemäss unserer empirisch gut unterlegten Überzeugung, dass Zukunftsprognosen für Volkswirtschaften und Firmenzahlen ein höchst schwieriges bis aussichtsloses Unterfangen sind, bleiben wir deshalb dabei, nach dem Value-Stil vor allem günstige Aktien zu kaufen. Ein quantitatives Vorgehen mit breiten Filtern hilft uns dabei, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und sich nicht in unnötigen Details oder emotional getriebenem «Storytelling» zu verlieren. Gutes Fondsmanagement erfordert Disziplin und Geduld, aber keinen Perfektionismus.


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