Value - Tod und Wiedergeburt

Livio Arpagaus

In der jüngeren Vergangenheit hat sich durch den Siegeszug des passiven Investierens das Marktgefüge dramatisch verändert – zu Ungunsten des Valuestils. Wir werfen einen Blick auf die Performancetreiber von Value- und Wachstumsaktien und wie man in Zukunft am besten nach unterbewerteten Aktien sucht.

Value Investing, wie wir es kannten, ist tot – das ist zumindest die Meinung des bekannten Valueinvestors David Einhorn. Vor einiger Zeit wurde der Hedge-Fund-Manager von Greenlight Capital im Podcast «The End Game» über seine Haltung zu Value Investing befragt und seine Ausführungen waren überaus spannend.

Weil es gemäss David Einhorn immer weniger Analysten gebe, welche die Fundamentaldaten einer Firma studieren, sei es heute möglich, Aktien noch günstiger zu kaufen als zuvor. Deshalb sollten Valueinvestoren den Markt trotz allen Widrigkeiten schlagen können.

Jeder kennt Statistiken, die zeigen, dass zirka 90% aller aktiven Fondsmanager ihren Benchmark über 10 Jahre nicht übertreffen können. Diese Zahl stimmt leider und hat zu einer wahren Geldschwemme bei passiven Anlagevehikeln geführt. Im Jahr 2010 wurde zum ersten Mal die Marke von 1000 Milliarden Dollar an passivem Geld am US-Aktienmarkt geknackt und seither hat sich diese Zahl mehr als versiebenfacht.

Laut Bloomberg überholte das verwaltete Vermögen passiver Anlagen 2018 zum ersten Mal dasjenige aktiv verwalteter Strategien. Pas-sive Vehikel beherrschten 2021 über 54% des US-Aktienmarktes.

ETF
Die Graphik zeigt das total investierte Kapital in Exchange Traded Funds ETF am US-Aktienmarkt. (Quelle: Adviser Investments https://www.adviserinvestments.com/special-report/etf-advantage/)

Dieser rapide Anstieg kam aber nicht nur zustande, weil neues Kapital am Aktienmarkt angelegt wurde, sondern auch, weil sehr viel Geld aus aktiven zu passiven Fonds umgeschichtet wurde (siehe Grafik unten).

 

Aktien Geldfluss
Die Graphik zeigt kumulierte In- und Outflows von aktiven bzw. passiven Fonds am US-Aktienmarkt von 2000 – 2022. (Quelle: Financial Times https://www.ft.com/content/f7ca9643-ed82-4993-9aa8-9c7617b33009)

Diese Umschichtung der Anlagegelder führte zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung: Aktive Fondsmanager mussten ihre Aktien verkaufen, drückten damit die Preise ihrer Titel und underperformten ihre Benchmarks abermals, was weitere Wechsel von aktiven zu passiven Fonds mit sich zog.

Eine Begleiterscheinung des schrumpfenden aktiven Sektors ist, dass es immer weniger Analysten gibt, welche sich überhaupt die Fundamentaldaten der Firmen anschauen. Laut Integrity Research ist beispielsweise die Analystenabdeckung von europäischen Firmen seit 2011 um 26% gefallen.

Passives Geld ist der Feind des Value-Investors


Wie ist eigentlich das Kaufverhalten eines passiven ETF? Stellen sie sich einen Markt aus zwei Aktien vor: Die eine ist massiv überwertet und handelt zu einer zu hohen Marktkapitalisierung, die andere ist viel zu günstig und handelt zu einem zu tiefen Marktwert. Die meisten ETF verteilen ihr Kapital anhand der Marktkapitalisierung der jeweiligen Aktien. Folglich kaufen ETF zu viel der teuren und zu wenig der günstigen Aktie und erhöhen durch ihr Handeln diese Marktverzerrung noch.

Aus Value-Sicht kommt es aber noch schlimmer: Valueinvestoren halten normalerweise ein Portfolio aus unterbewerteten Aktien. Wenn nun ETF dank starker Inflows überproportional viele teure Aktien kaufen, wird der gewöhnliche Valueinvestor mit der Marktrendite nicht mithalten können. Falls sich diese Underperformance über Jahre hinzieht, werden sie Mittelabflüsse erleben und müssen ihre günstigen Titel verkaufen, was wiederum die Preise weiter abfallen lässt. Somit lässt sich die schwache Performance von vielen Value-Fonds seit der Finanzkrise 2008 gut erklären.

Value Investing: Dead as we know it

Wieso hatte Value Investing vor dem Aufkommen der ETF eigentlich funktioniert? Normalerweise lief der Prozess wie folgt ab: Eine Firma enttäuscht den Markt und verliert massiv an Wert. Irgendwann sind die eingepreisten Erwartungen an das Unternehmen so tief, dass diese sehr leicht übertroffen werden können. Geschieht dies, realisieren viele Analysten, dass sie ihre Schätzungen nach oben revidieren müssen und empfehlen das Unternehmen ihren Portfoliomanagern. Diese kaufen die Aktie und somit verschwindet die Unterbewertung der Aktie über die Zeit wieder.

Einem neuen Value-Zeitalter stehen aber zwei Faktoren im Weg: Der Siegeszug des passiven Investierens wird kaum rückgängig gemacht und es gibt immer weniger Analysten, welche die Unterbewertung einer Firma überhaupt erkennen würden. «Nobody cares anymore», bringt es David Einhorn auf den Punkt.

Wieso sind wir aber dennoch überzeugt, dass Value als Strategie florieren kann, auch wenn sie nie mehr in Mode kommt? Dafür müssen wir die Faktoren näher betrachten, die zur Performance einer Aktie beitragen.

Die vier Faktoren einer Aktienrendite

Über eine lange Zeitperiode kann die Rendite von Value- und Wachstumsaktien in mehrere Faktoren unterteilt werden. Laut einer Analyse des Vermögensverwalters GMO sind folgende Faktoren relevant:

  • Bewertung (Valuation): Wie verändert sich die Bewertung einer Aktie über die Zeit, beispielsweise ob das Kurs/Gewinn-Verhältnis steigt oder fällt.

  • Wachstum (Growth): Was ist das Gewinnwachstum pro Aktie über die Zeit? Dieser Faktor wird bei Wachstumsaktien immer einen höheren Renditebeitrag ergeben, sonst wären es ja keine Wachstumsaktien.

  • Einkommen (Income): Wie viel Dividende wird bezahlt?

  • Rebalancing: Rebalancing zeigt, ob eine Aktie aus dem Valuesegment ins Wachstumssegment aufsteigt oder vom Wachstumsegment ins Valuesegment heruntergestuft wird. Valueaktien werden hier immer einen positiven Performancebeitrag aufweisen gegenüber Wachstumsaktien, weil eine Neubewertung auf höherem Niveau stattfindet, wenn eine Aktie das Valuesegment verlässt. Dieser Faktor ist mit dem ersten Faktor verbunden.
Value vs Growth
Die Graphik zeigt die Outperformance oder Underperformance von Valueaktien gegenüber Wachstumsaktien aufgeschlüsselt nach unterschiedlichen Renditetreibern über zwei Zeitperioden. (Quelle: GMO https://www.gmo.com/americas/research-library/3q-2022-gmo-quarterly-letter/)

Die Graphik von GMO zeigt, dass Valueaktien eine jährliche Überrendite von 5.5% zu Wachstumsaktien über den Zeitraum von 1983-2006 generierten. Einen kleinen Performancebeitrag trug die höhere Dividende bei (der Balken «Income»), die Bewertung und das Rebalancing kombiniert waren die grössten Performanceträger und wie erwähnt die tiefere Wachstumsrate der Valuetitel ein negativer Punkt.

Interessant ist, was im Zeitalter der ETF von 2007-2021 passierte: Sowohl die Wachstumskomponente wie die Dividende waren ein wenig höher, aber Valueaktien wurden relativ noch günstiger und somit war auch der Rebalancingfaktor weniger wichtig, weil weniger Valueaktien eine Neubewertung erfahren haben. Dies ist direkt auf die ETF-Flows zurückzuführen: Teure Aktien werden noch teurer und es interessiert weniger Analysten, dass es günstige Aktien gibt, die eine Neubewertung verdient hätten.

Value Investing 2.0

Wie müssen wir uns also heute als Valueinvestoren neu ausrichten, wenn sich das Wachstum der Valueaktien nicht beschleunigt und es kaum noch jemanden interessiert, was der effektive faire Wert einer Aktie ist?


Bei Quantex sind wir überzeugt, dass die Unternehmen in Anbetracht teils absurd tiefer Bewertungen zur Selbsthilfe greifen müssen, indem sie Aktien zurückkaufen und somit den Preis stützen und den zukünftigen Gewinn verdichten oder eine hohe Dividende ausbezahlen.

Durch die erwähnten Trends ergab sich über die letzten Jahre eine interessante Ausgangslage: Wir können heute Aktien von Unternehmen kaufen, die so tief bewertet sind, dass die jährlichen Aktienrückkäufe oder die Dividenden allein schon eine zweistellige Rendite versprechen. Beispielsweise sind wir in Petrobras und Indo Tambangraya investiert. Die Dividendenrenditen der beiden Unternehmen stehen bei 40% beziehungsweise 20%. Ein anderes Beispiel wäre die kanadische Stelco, welche 2022 versuchte, über 40% aller ausstehenden Aktien zurückzukaufen.

Die Bewertungen einiger Aktien ist heute so absurd tief geworden, dass geschickte Entscheidungen in der Kapitalallokation zum Selbsthilfeprogramm für die Investoren werden können. Darauf werden wir in der Zukunft ein noch genaueres Auge werfen.


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