Der Ski-Weltcup hat wieder begonnen und wir können die Rennen der schnellsten Skifahrer und Skifahrerinnen der Welt live am TV verfolgen. Doch es sind nicht wirklich die schnellsten Fahrer, die wir auf dem Schirm sehen. Die bekannten Skistars sind so erfolgreich, weil sie regelmässig ohne Verletzung ins Ziel kommen und dabei auch noch ordentlich schnell fahren können. Schnelligkeit ist zweitrangig.
Die tatsächlich schnellsten Skifahrer neigen dazu, früher oder später einen bösen Unfall zu haben, der ihre Karriere oder schlimmstenfalls ihr Leben beendet. Ein einfaches Zahlenbeispiel illustriert den Vorrang des Überlebens: Nehmen wir an, ein besonders risikolustiger und daher schneller Skifahrer hat eine Chance von 20%, ein Rennen zu gewinnen. Dafür riskiert er auch in 20% der Rennen einen schlimmen Unfall. Sein vorsichtigerer Konkurrent hat eine Gewinnchance von 10%. Doch sein Unfallrisiko beträgt nur 1%.
Auf welchen Fahrer würden Sie bei einem Rennen setzen? Natürlich auf den ersten. Doch wie sieht es bei einer Weltcup-Saison über 10 Rennen aus? Die Chancen, dass der risikolustige Fahrer die Saison beendet, stehen ziemlich schlecht, bei nur 11% (0.8^10). Der vorsichtigere Konkurrent dagegen wird höchstwahrscheinlich nicht nur die Saison beenden, sondern auch mehr Rennen gewinnen.
Der Erwartungswert des schnelleren Fahrers für die Saison beträgt nämlich nur 0.7 Siege und keineswegs zwei Siege, wie man auf den ersten Blick auf Grund der Siegeschance von 20% vermuten könnte. Er bleibt nicht lange genug im Wettbewerb, um seine Schnelligkeit wirklich ausspielen zu können. Auf Grund dieses Survivor-Bias sehen wir im Skiweltcup auch nicht die schnellsten Fahrer der Welt – sondern die Schnellsten der Überlebenden.
«Ob im Skisport oder dem Leben generell haben nicht die Besten Erfolg. Es sind die Besten von denen, die überleben», bringt es Luca Dellanna auf den Punkt. Der italienische Buchautor hat mit «Ergodicity» ein lesenswertes kleines Buch zum Thema geschrieben aus dem auch das Beispiel mit den Skifahrern stammt.
Die Regel lässt sich verallgemeinern: Nicht der am härtesten arbeitende Mitarbeiter wird CEO, sondern ein hart arbeitender, der keinen Burnout erleidet. Die langfristigen Performance-Ranglisten werden von Fonds angeführt, welche immer wieder gute Renditen erzielen, ohne ihr Anlagevehikel in einem schlechten Jahr völlig gegen die Wand zu fahren.