Der Ökonom Paul Samuelson bemerkte einmal, dass der Aktienmarkt fünf der letzten neun Rezessionen korrekt vorausgesagt habe. Damit hat die Börse allerdings einen viel besseren Leistungsausweis als Samuelsons Ökonomenzunft: Gemäss einer in Bloomberg zitierten Studie haben professionelle Wirtschaftsprognostiker von 153 Rezessionen in 63 Ländern über 22 Jahre gerade mal fünf korrekt vorausgesagt.
Fragen Sie also nicht ihren Bank-Ökonomen, ob eine Wirtschaftskrise bevorsteht. Und auch nicht die «Experten» des Internationalen Währungsfonds: von weltweit 469 Rezessionen seit 1988 haben diese nur vier ein Jahr im Voraus erkannt und nur 111 davon im Jahr, als der Abschwung effektiv begann.
Die Aktieninvestoren haben dagegen völlig recht, wenn sie wegen der Möglichkeit einer Rezession nervös werden: Durch Gewinnrückgänge und Unternehmenspleiten brechen die Börsenindizes in einer Rezession im Durchschnitt 40% ein. Das ist nur der Durchschnitt wohlgemerkt und natürlich gibt es viele besonders verwundbare Aktien, die in einer Rezession 90% und mehr verlieren können.
Derzeit weisen eine ganze Reihe von historisch bewährten Indikatoren darauf hin, dass eine globale Rezession bevorsteht oder sogar schon begonnen hat:
- Die Einkaufsmanager-Indizes der Industrie notieren derzeit in vielen wichtigen Ländern unter 50 Punkten, also im rezessiven Bereich. Unter anderem in Deutschland, Italien, UK, China, Japan, der Schweiz und neuerdings auch in den USA.
- Der Anleihenmarkt, in Konjunkturfragen meist besser bewandert als der Aktienmarkt, deutet durch fallende Zinsen seit Monaten auf eine mögliche Rezession hin. Gerade die inverse Zinskurve in den USA, also höhere kurzfristige als langfristige Zinsen, ist ein historisch sehr verlässliches Warnsignal für Rezessionen – auch wenn es wie jedes Mal wieder ignoriert oder wegrationalisiert wird, so zuletzt auch 2007 vor der globalen Finanzkrise.
- Aktien-Rückkäufe und Firmen-Übernahmen erreichten 2018 neue Rekordstände. Dies sind zuverlässige antizyklische Warnsignale: Auf dem Höhepunkt eines Booms sprudeln die Unternehmensgewinne, die Konzernbosse strotzen vor Selbstvertrauen und der sorglose Kapitalmarkt finanziert bereitwillig auch noch den dümmsten Megadeal (Bayer-Monsanto vielleicht?). Hinzu kommt die typische Welle von milliardenschweren Neuemissionen mit höchst dubiosen Zukunftsaussichten (Uber, Lyft, WeWork etc.)
- Die Bewertungsunterschiede zwischen den Aktien eines Marktes haben sich massiv ausgeweitet und stehen in den USA gemäss Empirical Research bereits bei 1.2 Standardabweichungen über dem langfristigen Schnitt. Die Bewertungsschere öffnet sich insbesondere dadurch, dass zyklische Aktien vom Markt abverkauft werden, während solide Large Caps und Wachstumsaktien teuer bleiben. So hohe Bewertungsunterschiede wie heute wurden in den letzten 70 Jahren nur einmal im Jahr 2012 erreicht, ohne dass in den USA eine Rezession folgte.
Warum es Rezessionen gibt
Doch wie kommt es überhaupt zu einer Rezession? Dazu gibt es eine Vielzahl von ökonomischen Theorien. Eine populäre These besagt, dass jeder Aufschwung nicht einen natürlichen Tod stirbt, sondern durch externe Schocks oder die zunehmend restriktivere Geldpolitik der Notenbanken abgewürgt wird. Doch in den meisten Volkswirtschaften wie der Eurozone oder in Japan haben die Notenbanken in diesem Zyklus die Zinsen gar nie erhöht, und trotzdem deuten die Zeichen auf Rezession.
Die für mich plausiblere Theorie der Österreichischen Schule der Wirtschaftslehre besagt, dass die Notenbanken während eines Aufschwungs meistens die Zinsen zu lange zu tief halten und dadurch falsche Anreize setzen: Es kommt zu Fehlinvestitionen der Unternehmen und generell zu zuviel Konsum und Spekulation auf Kredit. Je länger der Boom dauert und je lockerer die Geldpolitik, desto grösser werden diese Fehlallokationen von Kapital – und desto gravierender wird die folgende Rezession. Aus dieser Optik ist die Rezession nicht das Problem, sondern Teil der Lösung für bereits begangene Fehler. Versucht man sie durch eine noch lockerere Geldpolitik zu verhindern, macht man alles nur noch schlimmer.
Das „Soft Landing“ und andere Hirngespinste
Letztlich ist es aber für Anleger relativ egal, warum genau es zu Rezessionen kommt. Wichtig ist nur, dass man sie als wiederkehrendes Ereignis akzeptiert und nicht dem naiven Glauben verfällt, dass diesmal alles anders ist und es keine Rezession mehr geben wird. Wie immer am Ende eines langen Boomzyklus geistern auch heute wieder zahlreiche Hirngespinste von einem «Soft Landing» durch die Köpfe der Anleger, das durch neue Stimulusprogramme der Notenbanken oder der Regierungen herbeigeführt werden soll. Typischerweise ist der Glaube an das «Soft Landing» populär, wenn man sieht, dass es nicht mehr weiter aufwärts geht, gleichzeitig aber den drohenden Abgrund noch nicht wahrhaben will. Dies war auch schon in den Jahren 2000 und 2007 so – und beide Male war die folgende Landung der Wirtschaft und Börsen hart.
Praktische Tipps für die Rezession
Bei welchen Anlagen drohen die grössten Gefahren in der Rezession? Grundsätzlich verhält es sich wie in einem Erdbeben: Anlagen, die besonders zerbrechlich sind, sind am meisten gefährdet, wenn Wirtschaft und Finanzmärkte durcheinander gerüttelt werden. Dies sind in erster Linie Aktien und Anleihen von zyklischen Unternehmen oder solchen mit hoher Verschuldung. Die Kombination von zyklischen Cashflows mit hohen Schulden ist jeweils besonders tödlich, da die Cashflows genau dann wegbrechen, wenn gleichzeitig der Kreditmarkt zugeht. Wie schon Value-Urvater Benjamin Graham zu sagen pflegte: Mit keiner anderen Anlage verliert man so viel Geld mit wie mit drittklassigen Aktien und Anleihen in einer Rezession.
Generell gilt es, das Leverage zu reduzieren. Nicht nur bei den Anlagen im Depot, sondern auch auf der Portfolio-Ebene. Spekulationen auf Kredit sind heute, so kurz vor einer drohenden Rezession, brandgefährlich und sollten sofort glattgestellt werden.
Da eine Rezession zudem immer mit erhöhter Unsicherheit und Volatilität einher geht, sind auch alle Strategien, die auf dem Verkaufen von Volatilität beruhen, um jeden Preis zu vermeiden. Also zum Beispiel das Schreiben von Put-Optionen oder Short-Vola-ETF. Ein entsprechender ETF ist ja bereits bei einem Vorbeben im Februar 2018 implodiert.
Wie kann man sein Vermögen schützen?
Nachdem man die grössten Gefahrenherde im Portfolio eingedämmt hat, stellt sich die Frage, wie man das Vermögen am besten über eine Rezession retten kann.
- Cash: Wir sind generell keine Anhänger des Markttimings. Doch wenn man Cash als Sicherheitspolster für ein Portfolio einsetzen will, erscheint mir jetzt der Zeitpunkt sinnvoll, um eine grössere Cashposition zu halten. Die Idee ist es ja, eine relativ hohe Cashposition am Ende eines langen Booms und VOR einer Rezession zu haben, nicht erst nach schmerzhaften Verlusten am Ende einer Rezession, wie es typischerweise geschieht.
- Bonds: Anleihen von sicheren Schuldern, primär Staatsanleihen, sind ein historisch bewährter Hort der Sicherheit in einer Rezession. Doch das Problem dieses Mal ist, dass die Anleihenpreise schon jetzt sehr viel schlechte News einpreisen. Die Chance auf weitere Kursgewinne ist damit gering, ausser man glaubt die Theorie, dass es den Notenbanken gelingen wird, die Zinsen noch tiefer in den negativen Bereich zu drücken.
- Gold: Das gelbe Edelmetall ist meistens eine der besten Anlagen in einer Rezession. Zum einen, weil es als totes Metall nicht den Zahlungsausfallrisiken von Wertpapieren unterliegt. Und zum anderen, weil sein Wert oft steigt mit Blick auf die geldpolitischen Interventionen der Notenbanken. Gerade im laufenden Abschwung scheint es so zu sein, dass die Notenbanken mangels Spielraum bei den Zinsen zu noch extremeren Gelddruck-Massnahmen greifen könnten. Gold ist in diesem Sinn eine Versicherung gegen geldpolitische Extremrisiken, sei es Hochinflation oder Deflation.
- Qualitätswerte: Aktien und Anleihen von guter Qualität sollten eine Rezession relativ unbeschadet überstehen können. Damit ist eine solide Bilanz und ein möglichst defensives, nicht-zyklisches Geschäftsmodell gemeint. Selbst wenn die Kurse dieser Papiere in der allgemeinen Panik auch fallen – sie stehen irgendwann aus eigener Kraft wieder auf. Unternehmen mit viel Cash können zudem die tiefen Kurse für besonders wertschaffende Aktienrückkäufe nutzen.