Erst vor drei Jahren noch war überall vom «Chinesischen Jahrhundert» die Rede, obwohl es wegen dem Corona-Virus gefühlt schon eine Ewigkeit her ist. Erinnern wir uns: Damals reisten über 100 Millionen chinesische Touristen jedes Jahr nach Europa oder in die USA, um die Sehenswürdigkeiten des Westens kennenzulernen. Heute sind den Chinesen touristische Auslandreisen aus Gründen der nationalen Gesundheit verboten.
Damals war es für Manager erstrebenswert, für ein paar Jahre als Expat nach Shanghai oder Peking zu gehen. Heute wohl eher nicht, weil es fraglich ist, ob man so bald wieder aus dem Land oder nur schon seiner Wohnung rauskommt. Damals war es auch für fast alle westlichen Unternehmen klar, dass man im Zukunftsmarkt China präsent sein muss. Heute überwiegt die Vorsicht vor den Eingriffen des chinesischen Staats oder westlichen Sanktionen gegen China – die ausländischen Direktinvestitionen sind kollabiert. Die neuste iPhone-Fabrik Apples steht in Indien. Damals hatten sich alle an billige Güter aus China gewöhnt – nicht zuletzt auch die Notenbanker, welche sich während Jahrzehnten auf eine tiefe Teuerung dank Chinas brummenden Fabriken verlassen konnten.
Heute stocken die Lieferketten wegen immer neuer COVID-Lockdowns im Reich der Mitte. Und als Damokles-Schwert schwebt ein Krieg oder eine Seeblockade in der Strasse von Taiwan über den globalen Handelsströmen oder gar dem Weltfrieden. Rund 70% aller Computerchips stammen von der umstrittenen Insel. Der langanhaltenden China-Euphorie ist einer breiten Ernüchterung gewichen. Firmen wie Anleger überdenken ihre Investitionsentscheidungen.
«Kaufen Sie jetzt auch günstige chinesische Aktien?». Diese Frage kriegen wir deshalb in jüngster Zeit öfters gestellt. Der Abstieg von Chinas Aktienmarkt und Ansehen in der Welt ging so schnell vonstatten, dass sich die Frage nach einem antizyklischen Investment aufdrängt. Derzeit halten die Quantex-Fonds jedoch keine Aktien aus China oder Hong Kong und es dürfte auf absehbare Zeit so bleiben.
Grundsätzlich sehen wir drei Probleme bei Investments in China. Wobei nur eines davon neu ist:
1. Die Frage der Rechtssicherheit: Dieses Problem bestand schon vor Corona. Die Grenzen zwischen Staat, staatsnahen Konzernen und staatlichen Eingriffen im nationalen Interesse sind ungenau und gefährlich. Mit ein paar wenigen Federstrichen hat China kürzlich den gesamten privaten Ausbildungssektor zerstört, der namhafte Börsentitel stellte. Selbst Mega-Caps wie der Internet-Riese Ali Baba wurden massiv drangsaliert, nachdem dessen Gründer Jack Ma in Ungnade gefallen war. Hinzu kommen teils komplex verschachtelte Holding-Strukturen im Ausland als ADR oder in Hong Kong gelisteter Titel, deren Zugriff auf chinesische Assets im Streitfall rechtlich fragwürdig ist. Prominente Investoren wie der japanische Internet-Tycoon Masayoshi Son bauen ihre Aktienbeteiligungen in China momentan ab mit Verweis auf die regulatorische Unsicherheit.
2. Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit: Chinas Aufstieg zur führenden Wirtschaftsmacht galt lange Zeit als ausgemacht. Doch das Land hat ein gravierendes demografisches Problem auf Grund der einstigen Ein-Kind-Politik: Die Gesamtbevölkerung ging 2021 erstmals zurück. Die Zahl der Werktätigen in China schrumpft noch schneller. Längst ist man kein Billiglohn-Land mehr. Bereits sind die Löhne im Reich der Mitte höher als in Mexiko, dass für Exporte in die USA den gewichtigen Vorteil deutlich kürzerer – und sicherer – Nachschubwege hat.
Die demografischen Probleme werden sich rasch akzentuieren: Mittlerweile ist es den Chinesen erlaubt, wieder mehr Kinder zu haben. Doch die Fertilitätsrate lag zuletzt bei nur 1.15 Kindern, deutlich unter den im Westen üblichen 1.5 Kindern pro Frau. Die aktuelle Zero-Covid-Politik dürfte da auch nicht helfen. Die Tendenz der Geburtenrate ist weiter sinkend und könnte wie in Südkorea auf unter 1 fallen. Hinzu kommt ein Überschuss von 112 Männern zu 100 Frauen im gebärfähigen Alter auf Grund der systematischen Bevorzugung männlicher Babies durch Geburtenkontrolle.