Die Politik scheint nur eine Nebenrolle zu spielen.
Die Lage ist damit viel besser als die Stimmung von Anlegern und Wahlvolk. Die Verbesserung der Konjunkturdaten begann bereits letzten Sommer, lange vor der überraschenden Wahl von Donald Trump. Die Aussicht auf Steuersenkungen und Regulierungsabbau in den USA tut nun ihr übriges, um die Stimmung bei den Unternehmen zu verbessern.
In Europa stehen mehrere wichtige Wahlen an. Viele denkbare Krisenszenarien scheinen aber schon eingepreist, wenn die Anleger derzeit so viel Mühe darauf verwenden, Obligationenprospekte auf die möglichen Folgen eines Austritts Frankreichs aus dem Euro abzuklopfen. Verlaufen die Wahlen einigermassen glatt und ist weiteres politisches Durchwursteln angesagt, wäre dies wohl schon eine deutlich positive Überraschung. Jüngste Umfragewerte zeigen jedenfalls schon ein Abflauen der populistischen Protestwelle.
Entscheidend bleibt die Unternehmensebene
Damit haben wir die von Investorenlegende Peter Lynch empfohlenen drei Minuten Makro-Analyse im Jahr aber ohnehin mehr als überschritten. Entscheidend wird nun sein, wie die Unternehmen auf der Mikroebene auf die optimistischeren Aussichten reagieren. Bis jetzt waren die Firmen sehr zurückhaltend mit Investitionen und steckten oft lieber Geld in Aktienrückkaufprogramme und Dividendenzahlungen. Die Investoren belohnten die Unternehmen für dieses Verhalten mit Outperformance – ein typisches Muster in einer Rezession und der folgenden Erholungsphase.
In der Boomphase wollen die Anleger dann aber Wachstum sehen und haben plötzlich wieder ein offenes Ohr für grandiose Investitionspläne und Mega-Übernahmen. Bis jetzt wachsen die Investitionen weniger schnell als die Cashflows und Gewinne, doch das kann sich rasant ändern.
Die stärksten Sektoren seit den US-Wahlen waren Finanzen, Industrie, Rohstoffe und Technologie – allesamt zyklische Sektoren. Die grossen Verlierer dagegen waren Versorgungsunternehmen, Immobilienfirmen und Konsumgüter-Hersteller. Diese defensiven Werte waren in den Jahren der Stagnation und Wachstumsunsicherheit sehr beliebt und damit teuer geworden. Nun ist ihr tiefes, aber stetiges Wachstum plötzlich nicht mehr so interessant, wenn andernorts die Aussicht auf zweistellige Zuwächse besteht. Die steigenden Zinsen und Inflationserwartungen tun ihr Übriges, um stetige Cashflows unattraktiv zu machen.
Massiv gesunken ist auch der generelle Stresslevel am Markt, gemessen an den Bewertungsunterschieden zwischen den einzelnen Titeln. Gemäss Erhebungen von Empirical Research sind diese Valuation Spreads inzwischen wieder unter ihren langfristigen Schnitt der letzten Jahrzehnte gefallen. Typischerweise geht mit fallenden Valuation Spreads eine Outperformance von Value-Aktien einher, weil sich die günstigen Aktien dem Bewertungsschnitt annähern. Dieses Momentum hält normalerweise auch noch rund 12 Monate an, nachdem die Bewertungsunterschiede am Markt unter den langfristigen Durchschnitt gefallen sind.
Schwierige Zeiten für Value drohen
Als Value-Investoren haben wir damit noch etwas Rückenwind. Klar ist aber auch, dass es bei geringeren Bewertungsunterschieden immer schwieriger wird, günstige Titel zu finden. In der Endphase eines Booms sind meist nur noch wirklich hoffnungslose oder gefährlich überschuldete Unternehmen tief bewertet. Alles läuft dann darauf hinaus, die am besten wachsenden Firmen auszuwählen – oder jene, die bei den Anlegern am meisten Wachstumsfantasien wecken. Dies ist nachweislich nicht unser Metier.
Je länger der Boom anhält und je geringer die Bewertungsunterschiede, desto wichtiger wird es aus unserer Sicht, auf Qualität zu setzen. Eine solide Bilanz, stetiger Free Cashflow und eine gute Marktstellung sind Attribute, die am Ende einer Boomphase typischerweise zu günstig werden – wenn auch nur aus relativer Sicht zum euphorischen Gesamtmarkt.
Das Dilemma ist momentan nur, dass diese defensiven Qualitäten vom Markt immer noch mit einer Bewertungsprämie bedacht werden. Diese schrumpft jedoch seit geraumer Zeit und dürfte ganz verschwinden, sollten wir tatsächlich in die finale Boomphase eintreten. Bereits jetzt konnten wir aber einige gut defensive Titel wie den koreanischen Tabakkonzern KT&G oder den spanischen Zigaretten-Distributor Logista zu sehr fairen Preisen kaufen. Mit der Zeit werden mehr solche Gelegenheiten kommen. Doch nun sollten Anleger fürs Erste einmal die Show geniessen.