Das Zeitalter der Metalle

Peter Frech

Öl und andere Kohlenwasserstoffe sollen durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden. Doch die geplante Umstellung erfordert Unmengen von Metallen, die in der nötigen Menge nicht annährend geliefert werden können. Die Grüne Energiewende droht zu scheitern und die Inflation weiter anzuheizen. Für Bergbau-Aktien verspricht sie einen historischen Boom.

Das Ölzeitalter scheint sich dem Ende zuzuneigen. Während 100 Jahren war der Zugang zu Öl der entscheidende geopolitische Machtfaktor. Zahllose Kriege wurden darum geführt. Das Ölembargo der OPEC von 1973 erschütterte die Weltwirtschaft und heizte den damaligen Inflationsschub weiter an. Doch der Ölverbrauch ging seither im Westen fortlaufend zurück dank effizienterer Technologien. Heute will die Politik endgültig weg von der Ölabhängigkeit mit Hilfe erneuerbarer Energiequellen.

Doch die geplante Grüne Energiewende erfordert Unmengen von Metallen: Eisenerz, Mangan, Zink und Seltene Erden für Windturbinen. Lithium, Nickel und Kobalt für Batterien in Elektroautos. Metalle der Platingruppe zur Erzeugung von Wasserstoff und für den Betrieb von Brennstoffzellen. Und vor allem Kupfer, Kupfer und nochmals Kupfer für die Verkabelung all der neuen elektrischen Anlagen.


"Kupfer ist das neue Öl», lautet denn auch eine prominente Anlagethese der Strategen von Goldman Sachs. Zur Erfüllung der Ziele des Pariser Klimaabkommens würden der Welt rund 8.2 Millionen Tonnen Kupfer fehlen.

Das sei die grösste Versorgungslücke aller Zeiten und rund doppelt so viel, wie in der grossen Kupfer-Hausse der Nullerjahre fehlten. Damals trieb die rasante Industrialisierung Chinas die Nachfrage und den Kupferpreis auf ein Rekordhoch, das erst kürzlich wieder erreicht wurde.

Folgt auf das Ölzeitalter das Zeitalter der Metalle? Zumindest begibt man sich in neue strategische Abhängigkeiten: Die drei grössten Ölproduzenten der Welt, die USA, Saudi Arabien und Russland, kontrollieren zusammen knapp 40% der weltweiten Förderung (siehe Grafik).

Rohstoffproduzenten
Die Grafik zeigt den Anteil der jeweils drei grössten Produzenten in der Förderung von fossilen Brennstoffen wie Öl und Mineralien wie Kupfer oder Lithium nach Ländern. (Quelle: IEA)

In kritischen Metallen der Grünen Revolution ist die Konzentration der Produzentenländer jedoch noch grösser: Im Kupfer machen Chile, Peru und China zusammen gut 50% der globalen Förderung aus. Chile und Peru schwenken zudem politisch gerade hart nach Links und wollen beide die Steuern für den Bergbau massiv erhöhen, was die Kupferproduktion deutlich beeinträchtigen könnte. Oder droht uns sogar bald die Gründung eines Kupfer-Kartells im Stil der OPEC?

Im Lithium dominieren Australien, Chile und China mit über 80% der Förderung. Und bei den Seltenen Erden kontrolliert China allein über 60% der Produktion und fast 90% der Raffination. Die neue strategische Abhängigkeit ist so offensichtlich, dass sogar der notorisch uneinige amerikanische Senat soeben ein grosses Förderpaket zur Sicherstellung der heimischen Produktion von Seltenen Erden und anderen kritischen Rohstoffen beschlossen hat.

Während in Politik und Presse munter über die grüne Energiewende schwabuliert wird und die gutbetuchten Sonntagsfahrer gerne ihre nagelneuen Elektro-SUVs zur Schau stellen, zeichnet sich hinter dem Horizont, in den Hochlanden der Anden, den Wüsten Australiens und den Dschungeln des Kongos, ein Problem mit der harten Realität des Bergbaus ab. Gibt es überhaupt genug Metalle, um all die hochtrabenden Pläne der grünen Energiewende zu finanzieren?

Die grüne Energiewende droht an der harten Realität des Bergbaus zu zerschellen

Dieser Frage ging die Internationale Energieagentur IEA in einer kürzlich publizierten Studie nach. Die IEA war 1974 nach dem ersten Ölschock gegründet worden, um die Abhängigkeit der Industrieländer vom Öl zu reduzieren. Sie ist quasi das Gegenstück der Öl-Lobby und hat sich nun ganz der grünen Energiewende verschrieben. Das Fazit der IEA-Studie ist ernüchternd:


Die heutige Produktion kritischer Metalle und die Investitionspläne sind bei weitem nicht ausreichend für den beschleunigten Einsatz von Solarzellen, Windturbinen und Elektroautos.

Ein Elektroauto benötige sechs Mal mehr kritische Metalle wie Lithium und Kupfer als ein gewöhnliches Fahrzeug. Ein Windkraftwerk brauche bei gleicher Leistung sogar neun Mal mehr Metalle als ein herkömmliches Gaskraftwerk. Hinzu kommt das Kupfer für die Verkabelung von Stromproduktion und Ladestationen. Seit 2010 hat sich nach Berechnungen der IEA der Metallverbrauch pro neuer Stromproduktionseinheit um 50% erhöht, da der Anteil der erneuerbaren Energien gestiegen ist (siehe Grafik unten).

Metallverbrauch
Die Grafik zeigt den Anstieg des Metallverbrauchs je neu installiertem Megawatt in der Stromerzeugung seit 2010. Am stärksten war der Verbrauchszuwachs bei Kupfer für elektrische Leitungen (blau), Zink für Windanlagen (violett) und Silizium für Solarzellen (gelb). (Quelle: IEA)

Unter dem Strich rechnet die IEA damit, dass zur Erfüllung der Pariser Klimaziele bis 2040 im Bereich «Clean Energy» vier Mal mehr kritische Metalle benötigt werden als heute. Der Verbrauch von Batteriemetallen wie Nickel, Graphit oder Lithium dürfte sogar um das 20-40 fache des heutigen Cleantech-Bedarfs steigen.

Diese neue Nachfrage nach Metallen ist auch im grösseren Zusammenhang signifikant: Beim Nickel, das heute fast ausschliesslich zur Stahlveredelung eingesetzt wird, würden unter den Pariser Klimazielen bis 2040 gut 60% des gesamten Verbrauchs für die Energiewende benötigt. Bim Kupfer wären es rund 50%. Und beim Lithium wenig überraschend sogar 90%.

Zwei kritische Fragen zum Metallzeitalter müssen gestellt werden

Es stellen sich deshalb zwei kritische Fragen: Wie sieht es mit dem zusätzlichen Angebot an Metallen aus? Und macht die ganze Übung aus Umweltsicht überhaupt Sinn?

Die erste Frage nach dem Angebot ist rasch beantwortet: Es sieht schlecht aus. Die Metallpreise schiessen nach oben, doch die Bergbauindustrie kürzt ihre Investitionen dieses Jahr gemäss Analystenkonsens um 6-10%. Dividenden und Aktienrückkäufe stehen im Vordergrund, da die Kapitalgeber nach dem Rohstoff hoch von 2011 lange Jahre untendurch mussten und neue Investitionen weiterhin sehr kritisch beäugen. Wie Goldman Sachs nüchtern festhält, wurde in den letzten zwölf Monaten weltweit nicht eine einzige neue Kupfermine in Angriff genommen.

Wie die IEA in vorsichtiger Bürokratensprache formuliert, gibt es derzeit keine Pläne, die steigenden Metallanforderungen durch neue Minenproduktion zu erfüllen. Selbst wenn der Wille zu mehr Investitionen da wäre, fehlt es an attraktiven Projekten. Die Explorationsbudgets wurden in den Jahren der Rohstoff-Flaute zusammengestrichen. Neue Funde, etwa grosser Kupfer- oder Nickelvorkommen, blieben rar. Oft liegen sie zudem in schwer zugänglichen Gebieten oder politisch heiklen Ländern. In wohlhabenderen Bergbaunationen wie Australien oder den USA sind es ironischerweise auch oft die lokalen Bürger selbst, die sich aus Gründen des Umweltschutzes am lautesten gegen «dreckige» neue Minenprojekte wehren.

Erfahrungsgemäss dauert es rund 15 Jahre von der ersten Entdeckung einer Metall-Lagerstätte bis zum Beginn der Förderung. Werden also morgen die Explorationsbudgets wieder markant hochgefahren und alle bürokratischen Bewilligungshürden tief gehalten, so ist ab 2036 eventuell mit einer höheren Produktion von kritischen Metallen wie Kupfer zu rechnen.


Politiker können noch lange die beschleunigte Energiewende bis 2030 oder gar 2035 propagieren – wenn nicht heute und sofort mit massiven Investitionen in Kupfer-, Lithium- oder Nickelminen begonnen wird, bleibt vieles reine Fantasie.

Höhere Preise sind natürlich eine marktwirtschaftliche Lösung für das Problem der Metallknappheit: Sie geben Anreiz zu sparsamerem Gebrauch und mehr Recycling. Wenn der Staat jedoch unabhängig von den Preissignalen den Umstieg auf Elekroautos einfach erzwingt, werden diese immer teurer – und auch andere Produkte, welche die kritischen Metalle wie Kupfer oder Nickel enthalten.

Die Preisansteige bei den Metallen drohten zudem die Effizienzgewinne in der Energiewende wegzufressen. Wie die IEA vorrechnet, ist etwa die Herstellung von Lithium-Batterien für Elektroautos durch die Skaleneffekte günstiger geworden. Dies hat jedoch zur Folge, dass das Rohmaterial Lithium statt 45% des Endproduktpreises wie noch vor fünf Jahren nun schon rund 60% ausmacht. Je effizienter die Verarbeitung, desto mehr hängt der Preis am Schluss von den Rohwarenpreisen ab.

Mehr Recycling ist keine Lösung, da es primär um den Aufbau neuer Kapazitäten geht. Erst wenn eines fernen Tages alle Elektroautos fahren und Strom aus Windkraftwerken beziehen, können genügend Metalle durch Recycling gewonnen werden.

Die heikle Frage nach der Umweltbilanz

Die andere grosse Frage zur Energiewende stellt sich in Sachen Umweltbilanz. Kupfer etwa wird derzeit in den chilenischen Anden mit Metallgehalten von unter 1% gefördert. Das bedeutet, um 1 Tonne Kupfer zu gewinnen, müssen mehr als 100 Tonnen Erz bewegt und verarbeitet werden. Hinzu kommt das Abfallgestein um das Erz herum. Je nach Lagerstätte und Strip Ratio ist das nochmal 2-10 mal so viel Tonnage. Dann erfolgt die Raffination des Kupfers aus dem Erz, welche viel Strom, Wasser und Chemikalien erfordert. Danach muss das Kupfer noch zum Endverbraucher transportiert werden.

Wie die IEA berichtet, steigt der Energieverbrauch je gewonnener Metalleinheit weltweit seit Jahren an. Momentan sei die gesamte Treibhausgasbilanz eines Elektroautos zwar noch 50-75% besser als eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor, vor allem, wenn alle Komponenten mit Ökostrom hergestellt werden. Das ist eine derzeit unerfüllbare Annahme. Es macht aber wenig Sinn, wenn das Nickel für die Autobatterien in Indonesien oder Australien mit Hilfe von Kohlestrom produziert wird. Je nach Herkunft der zukünftig benötigten Metalle könnte die Ökobilanz von Elektroautos sogar negativ werden.

Dem kritischen Beobachter drängt sich hier der Eindruck auf, dass im aktuellen Hype um das nachhaltige ESG-Investieren die Quadratur des Kreises versucht wird: «Dreckige»Autos und Kraftwerke sollen durch «saubere» Technologien ersetzt werden, welche jedoch Unmengen von Metallen aus «dreckigen» Minen und Ländern mit «dreckigen» Regimes oder Arbeitsbedingungen erfordern. Dann ist die Tesla-Aktie im ESG-Rating «gut» und die indonesische Nickelmine für die Batterien «böse». Aber der Welt und dem Klima ist mit dieser Schizophrenie nicht viel geholfen.

Ironischerweise könnten gerade ESG-Bedenken die zukünftige Produktion von Metallen bremsen. Anzeichen dafür gibt es schon heute einige. Die wohlmeinenden Proponenten der Energiewende stellen sich sozusagen selbst ein Bein.

Fazit für Investoren

Aus unserer Anlegerperspektive haben wir keine klare Meinung, ob der Übergang vom Ölzeitalter zum Metallzeitalter für die Umwelt wirklich eine so gute Sache ist. Es scheint uns aber klar, dass die Energiewende politisch gewollt ist und vorerst nirgends ernsthaft in Frage gestellt wird. Bei preisunempfindlicher und teilweise erzwungener Nachfrage aus ideologischen Gründen erscheint es uns angesichts der knappen Angebotssituation als so gut wie sicher, dass die Preise wichtiger Metalle weiter steigen werden. Hinzu kommt der natürliche Preisauftrieb durch die laufende Inflation der Staatsausgaben.

Aktien von Bergbau-Unternehmen versprechen deshalb ein gutes Investment zu werden: Preisanstiege beim Absatz stehen momentan noch hoher Investitionsdisziplin der Produzenten gegenüber. Die Free Cashflows der Minenfirmen explodieren. Interessanterweise sind die meisten Aktien aus dem Sektor immer noch tiefer bewertet als der Durchschnitt. Der Markt traut offensichtlich dem Metallboom nicht und stellt auch die Inflation in Frage.

Für ein Investment in einen Sektor mit guten Wachstumsaussichten zu einem Preisabschlag, wie es der Minensektor derzeit bietet, lassen wir uns als Value-Anleger nicht zwei Mal bitten. Entsprechend sind Bergbau-Titel derzeit zahlreich in unseren Fonds vertreten: Wir halten unter anderem Aktien von Vale (Eisenerz, Nickel, Kupfer), Ferrexpo (Eisenerz), South32 (Alu, Mangan, Nickel), Norilsk (Palladium, Nickel, Kupfer) oder Dundee Precious Metals (Gold, Kupfer). Damit sind wir für das Metallzeitalter gerüstet – und zahlen trotzdem keinen hohen Preis, sollte die Energiewende doch noch abgeblasen werden.

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