Das Timing bei Rohstoffaktien

Peter Frech

Die Förderung von Rohstoffen ist ein schwieriges und über lange Strecken wenig einträgliches Geschäft. Für eine gute Rendite mit Rohstoff-Aktien ist der richtige Kaufzeitpunkt entscheidend. Doch der Schlüssel zum Erfolg sind nicht gute Rohstoffprognosen, sondern der Blick auf den Kapitalzyklus.

Im Show-Business wie auch im Öl-Geschäft gilt unter Insidern schon lange die Maxime „Nobody knows nothing“: Niemand weiss zuverlässig, welche Filme Erfolg haben werden oder wohin sich der Ölpreis entwickelt. Sonst könnten ja auch alle mit diesem Wissen schnell reich werden. Nur in der Finanzindustrie und den Medien wird immer noch so getan, als sei Expertenwissen in diesem Bereich zu etwas gut. „The show must go on“, lautet sozusagen die Direktive.

Wir haben keine Ahnung, wohin sich die Rohstoffpreise in den nächsten Jahren bewegen werden. Gleichwohl halten wir stattliche Positionen in Rohstoff-Aktien. Im Global Value Fund sind es derzeit noch 28% in Öl- und Bergbau-Titeln. Deutlich weniger als auch schon, aber immer noch ein ordentlicher Teil des Fondsvermögens. Für viele Anleger ist dies ein Widerspruch: Wie kann man Rohstoffaktien kaufen, ohne eine Ahnung zu haben, wohin sich die Preise bewegen?


Doch wir kaufen alle unsere Aktien, wenn sie attraktiv bewertet sind – unabhängig von einer Prognose für den Gesamtmarkt. Markttiming ist ein ähnlich hoffnungsloses Geschäft voll mit Scharlatanen. An den Extrempunkten des Marktes lassen sich allenfalls gewisse Vorhersagen machen.

Im Sommer 2020 etwa, nachdem ein Öl-Future kurzfristig in den negativen Bereich gefallen war, glaubten tatsächlich für eine kurze Zeit sehr viele Marktteilnehmer, in fünf oder zehn Jahren werde niemand mehr Öl brauchen. Die Bewertungen der Ölaktien zeigten diese Überzeugung an. Doch der Optimismus für eine rasche Energiewende war total überzogen. Heute ist der globale Ölverbrauch höher als im Vor-Corona-Jahr 2019 und wächst weiter: Es gibt mehr Verbrennungsmotoren auf den Strassen und Flugmeilen werden auch mehr zurückgelegt. Sogar der weltweite Verbrauch von Kohle steigt weiter, getrieben von der Elektrifizierung Indiens und Chinas.

Unwissende Investoren kaufen besser billig

Als unwissende Investoren wollen wir nur Rohstoffaktien kaufen, wenn ihre Bewertungen tief sind und die Skepsis des Marktes entsprechend hoch. Die wichtige Frage ist deshalb nicht, wo der Öl- oder Kupferpreis in einem Jahr steht, sondern ob die entsprechenden Aktien günstig sind. Hier sieht es bei den Minenaktien gemäss einer langfristigen Datenreihe von Empirical Research nicht mehr so gut aus.

Free Cashflow Yield
Die Linie zeigt die relative Free-Cashflow-Rendite aller Minenaktien aus Industrielän-dern in Relation zum Gesamtmarkt seit 1952 inklusive den Analystenschätzungen für 2024 und 2025. (Quelle: Empirical Research)

Die in den Jahren 2020/21 noch satte Free-Cashflow-Prämie der Sektorvertreter zum Gesamtmarkt ist verschwunden. Minentitel werden nun mit einer tieferen Free-Cashflow-Rendite als der Marktschnitt gehandelt, was die Annahme steigender Rohstoffpreise impliziert. Kupferminen und andere offensichtliche Gewinner der Energiewende sind nicht mehr billig. Value sehen wir noch bei den ungeliebten Kohle-Titeln und interessanterweise auch bei vielen Goldminen. Das gelbe Edelmetall war bis vor kurzem im Rohstoff-Boom zurückgeblieben.

Etwas besser sieht es im Öl&Gas-Sektor aus. Diese Titel werfen immer noch eine leicht höhere Free-Cashflow-Rendite als der Gesamtmarkt ab und auch eine deutlich höhere Rendite als der Bergbau-Sektor. Der Hauptgrund für die schwindenden Free Cashflows im Bergbau-Sektor sind nicht etwa stark gefallene Rohstoffpreise oder viel höhere Aktienkurse, sondern die starke Zunahme der Kapitalinvestitionen. Typischerweise folgen die Investitionen einem Anstieg der Rohstoffpreise. Das kürzlich erfolgte Übernahmeangebot von BHP für Erzrivale Anglo-American ist ebenfalls ein Zeichen der zurückgekehrten Boom-Stimmung im Minensektor.

Free Cashflow Yield2
Die Grafik zeigt die Free-Cashflow-Rendite des Minensektors im Vergleich zum Energiesektor seit 1952. Derzeit werfen Öl&Gas-Titel eine rund 4% höhere Free-Cashflow-Rendite ab als Minenaktien. (Quelle: Empirical Research)

Die Free-Cashflow-Prämie bei Ölaktien ist denn auch der Hauptgrund dafür, dass wir in unserem bottom-up getriebenenen Prozess derzeit mehr interessante Energietitel finden. Vor allem die europäischen Multis Shell, Total und BP werden noch deutlich attraktiver als der Gesamtmarkt oder ihre US-Konkurrenten gehandelt.

Der Kapitalzyklus ist entscheidend

Der zweite gewichtige Entscheidungsfaktor neben der Bewertung ist jedoch der Stand des Sektors im Kapitalinvestitionszyklus. Mein Kollege Moritz Nebel hatte schon vor einem Monat auf dessen Wichtigkeit hingewiesen (siehe "Gegen den Strom").

Steigende Kapitalinvestitionen senken nicht nur den laufenden freien Cashflow, sondern sie erhöhen auch die Gefahr zukünftiger Überproduktion und damit fallender Rohstoffpreise. Ihr Verlauf über die Zeit ist deshalb von grosser Bedeutung.

Capital Spending
Die Grafik zeigt die Kapitalinvestitionen im Verhältnis zu den Abschreibungen des Bergbau-Sektors. Ein Verhältnis über 1 zeigt an, dass mehr investiert wird als buchhalterisch abgeschrieben. (Quelle: Empirical Research)

Die besten Zeitpunkte für ein Investment in Rohstoffaktien waren historisch immer die Investitionsflauten. Eine gute Masszahl dafür ist das Verhältnis der buchhalterischen Abschreibungen zu den neuen Kapitalinvestitionen. Liegt es in einem Sektor unter 1, wird weniger investiert, als in der Vergangenheit üblich war. Wobei ein Verhältnis unter 1 so gut wie nie vorkommt. Durch die ständige Inflation sind die Kapitalinvestitionen für gleichwertige neue Minen in der Tendenz immer höher als die Abschreibungen für die alten Minen in den Büchern, die vor 10 oder 20 Jahren gebaut worden waren, als das Geld noch mehr Kaufkraft hatte. Dass der Wert in den letzten Jahren so nahe an ein Verhältnis von Eins-zu-Eins gefallen war, zeigt an, wie stark der Minensektor nach dem Ende des grossen China-Booms untendurch und den Gürtel enger schnallen musste.

Das aktuelle Verhältnis von rund 1.5 ist noch nicht besorgniserregend, es entspricht etwa dem langfristigen Durchschnitt. Wird irgendwann dann wieder zwei Mal mehr investiert als abgeschrieben, ist höchste Vorsicht angebracht. Die schlimmen Abstürze des Sektors erfolgten jeweils nach solchen Hochinvestitionsphasen. Die Autokorrelation bei den Kapitalinvestitionen ist im Übrigen mehr als doppelt so hoch wie die der Metallpreise: Ist ein Investitionsboom erst einmal angelaufen, ist er wegen der langen Vorlaufzeiten im Bergbau nur noch schwer zu stoppen.

Im Öl&Gas-Sektor zeigt sich bei den Investitionen der Firmen noch etwas mehr Skepsis bezüglich der Nachhaltigkeit des Booms. Die Kapitalinvestitionen liegen noch keine 1.5mal über den Abschreibungen. Der Druck auf die Ölproduzenten von Seiten der ESG-Verfechter mag dabei auch eine Rolle spielen. Die Innovationen im Fracking ermöglichen zudem bei der Ölproduktion aus Shale-Vorkommen eine raschere Reaktion auf Preissignale als bei herkömmlichen Ölprojekten oder dem Bergbau, wo der Vorlauf vom Investitionsentscheid zur Produktion oft zehn Jahre betragen kann.

Capital Spending2
Die Grafik zeigt die Kapitalinvestitionen im Verhältnis zu den Abschreibungen des Energie-Sektors. Ein Verhältnis über 1 zeigt an, dass mehr investiert wird als buchhalterisch abgeschrieben. Die Zahl liegt im Ölsektor aber noch deutlich unter ihrem langfristigen Durchschnitt. (Quelle: Empirical Research)

Statt sich ständig Gedanken über die Entwicklung der Rohstoffpreise zu machen, sind Investoren in Rohstoffaktien deshalb meist besser beraten, auf die Investitionstätigkeit der Branchenvertreter zu achten. Ziehen die Kapitalinvestitionen stark an, werden die Grundsteine für das Ende des Boomzyklus gelegt.

Die Bewertung ist der andere Faktor und quasi ein Mass dafür, inwiefern die Akteure am Aktienmarkt einen Boom bei den Rohstoffpreisen erwarten. Herrschen grosse Skepsis und tiefe Bewertungen, besteht Potenzial für positive Überraschungen und umgekehrt.

Alles in allem bleibt das Timing der Zyklen im Rohstoffsektor jedoch kein leichtes Unterfangen. Ganz zu schwiegen von den politischen Risiken: Minen und Ölquellen erfordern hohe Anfangsinvestitionen und sind immobil. Sie sind damit der Gefahr von willkürlich höheren Steuern, Enteignungen oder lokalen Unruhen hilflos ausgeliefert.

Für Anleger, die einfach nur von höheren Rohstoffpreisen profitieren möchten oder Inflationsschutz durch Rohstoffe suchen, sind deshalb Rohstoff-Futures oft das einfachere und risikolosere Investment als die Aktien der Produzenten. Das ist der Hauptgrund dafür, dass Rohstoff-Futures in der Asset Allocation des Quantex Multi Asset Fund einen fixen Platz haben, Rohstoffaktien dagegen nur selektiv zum Einsatz kommen.

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